Erdbeben-Frühwarnsystem für Vancouver

Sensoren im Pazifik sollen Erdbeben früh erkennen und Vancouver bis zu zwei Minuten Vorwarnung geben.

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Leuchtschild "Eartquake"

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 3 Min.

Ein Frühwarnsystem von Ocean Networks Canada soll die Millionenstadt Vancouver vor einem erwarteten Mega-Erdbeben warnen. Ein Sensorennetz auf dem Meeresgrund sowie an Land kann vorauseilende "primäre" Erdbebenwellen erkennen, daraus Magnitude und Epizentrum abschätzen, und gegebenenfalls automatische Warnungen nach Vancouver, in die Provinzhauptstadt Victoria und andere Städte in der Region schicken. Die Warnung soll 20 Sekunden bis zwei Minuten vor den Sekundärwellen des Erdbebens eintreffen. Diese Wellen verursachen die großen Schäden.

20 bis 120 Sekunden Vorwarnung klingt zunächst nach wenig. Automatisierte Abläufe erlauben aber eine Reihe von Maßnahmen, die Leben retten und Hilfsmaßnahmen erleichtern können. So können etwa Tore automatisch geöffnet werden, sodass Einsatzfahrzeuge rasch losfahren können, auch wenn es keinen Strom gibt. Chirurgen können dazu gebracht werden, Hände und Messer aus Patienten zu ziehen, bevor der OP-Tisch bebt.

Schienenfahrzeuge wie der Skytrain in Vancouver können verlangsamt beziehungsweise vom Verlassen ihrer Stationen abgehalten werden. Flugzeuge können Landeanflüge abbrechen. Ampeln vor Brücken und Tunneln können auf Rot geschaltet werden. Und Menschen können via Radio und Handy dazu gebracht werden, unter dem nächsten Tisch Schutz zu suchen. Sie fallen dann nicht mehr hin und sind weniger durch umherfliegende Gegenstände gefährdet. Letztere fordern bei Erdbeben deutlich mehr Verletzungen als etwa einstürzende Gebäude.

Dass es in der Region zu einem richtig starken Erdbeben kommen wird, gilt als sicher. Vor der Westküste Vancouver Islands schiebt sich die Juan-de-Fuca-Platte unter die Kontinentalplatte Nordamerikas. Diese Cascadia genannte Subduktionszone läuft vom Norden Vancouver Islands bis ins nördliche Kalifornien. Täglich gibt es kleinere Erdbeben; in der Nacht auf Montag gab es sogar drei Erdbeben der Stärken 6,6, 6,8 und 6,5 innerhalb einer Dreiviertelstunde.

Die Karte zeigt den aktuellen Ausbaustand des Sensoren-Netzes auf Vancouver Island und Umgebung sowie Ocean Networks Canadas Unterwasser-Gasfaserring.

(Bild: Ocean Networks Canada (bearbeitet))

Da sie sich aber knapp 200 Kilometer vor der Küste in etwa zehn Kilometern Tiefe ereigneten, gab es an Land keine nennenswerten Schäden. Gefürchtet wird vielmehr ein Erbeben, wie es sich im Jahr 1700 ereignet hat, was sich aus japanischen Aufzeichnungen über einen großen Tsunami ableiten lässt. Die Magnitude wird auf 8,7 bis 9,2 geschätzt. Je näher an der Erdoberfläche es sich ereignet, umso verheerender wären die Folgen.

Im Februar 2016 hat die Provinzregierung daher beschlossen, umgerechnet etwa 3,3 Millionen Euro in das Frühwarnsystem zu investieren. Vor kurzem hat Ocean Networks Canada (OCN) die Installation der geoseismischen Sensoren auf dem Meeresboden abgeschlossen. Ein Probealarm in Zusammenarbeit mit dem Skytrain in Vancouver ist positiv verlaufen.

Unterwasser-Aufnahme der Installation eines Seismographen

(Bild: Ocean Networks Canada)

OCN ist eine Einrichtung der Universität Victoria und betreibt für wissenschaftliche Zwecke einen mehrere hundert Kilometer langen Glasfaserring vor der Westküste der Insel. Victoria liegt an der Südspitze Vancouver Islands und ist die Hauptstadt der Provinz Britisch-Kolumbien. Da es im Meer keine brauchbaren Funkverbindungen gibt, gäbe es ohne den OCN-Glasfaserring auch kein Frühwarnsystem.

Auf der Insel lässt die kanadische Bundesregierung derzeit Seismographen und GPS-Sensoren installieren. Diese Arbeiten dauern noch einige Monate. OCN wird die Daten aller Sensoren in Echtzeit zusammenführen, um daraus Epizentrum und Magnitude der Beben zu berechnen. Nur bei Beben, die in bewohnten Gebieten erhebliche Schäden anrichten könnten, wird dann automatisch Alarm geschlagen. Im März soll das System in den Regelbetrieb gehen. (ds)