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Was war. Was wird. Wettrüsten oder Waffelessen, das ist die Frage.

Zeit! Irgendwann gab es sie gar nicht, heute wird sie uns geschenkt. Ja, auch Hal Faber weiß, dass das Quatsch ist. Wie so vieles andere.

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Zeit, Urknall

Es gab eine Zeit, da gab es keine Zeit. Und keinen Quatsch. Das ist aber ein paar Milliarden Jahre oder so her...

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

"Ganggenau wie unser Sonnensystem."

(Bild: eine alte Anzeige aus Twen)

*** Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät? Ja, da haben oder bekommen wir wieder die gute alte Winterzeit und so einmal mehr den Blödsinn zu lesen, dass wir eine Stunde "geschenkt" bekommen haben. Aus der simplen Zeitumstellung wird so ein Akt der staatlichen Wohlfahrt. Bei anderen Auslassungen ist gar von einem Mini-Jetlag die Rede. Nein, ich will an dieser Stelle nicht die Debatten wiederholen oder mich auf eine dieser Umfragen einlassen, bei der die Ablehner der Zeitumstellung regelmäßig gewinnen. Alle wirklich wichtigen Argumente sind genannt, und wenn ich jetzt eine Stunde lang über den Segen der Zeitumstellung schwadroniere, würde ich in aller Unlogik das soeben geschenkte Stündchen stehlen.

*** Immerhin ist uns Journalisten an anderer Stelle in dieser Woche wirklich Zeit geschenkt worden und zwar vom Bundesverfassungsgericht. Es hat die Beschwerden des Recherche-Netzwerks Correctiv und des Spiegel gegen überfallartige Gegendarstellungsbegehren per einstweiliger Verfügung anerkannt. Kernsatz des Urteils: Bevor gegen ein Medium eine einstweilige Verfügung erlassen wird, müssen seine Argumente vom jeweiligen Gericht zur Kenntnis genommen werden. Die gängige Argumentation, dass die angebliche Verletzung von Persönlichkeitsrechten in einem Artikel oder einem TV-Beitrag besonders eilbedürftig sei, ist abgeschafft worden. Es gibt ein grundrechtsgleiches Recht auf prozessuale Waffengleichheit, was bedeutet, dass ein Gericht vor der Gegendarstellung die Argumente des betroffenen Mediums hören muss.

*** Heute wählen die Hessen, und die Frankfurter Allgemeine Zeitung übt sich in der schönen Kunst des Knittelreims: "Wenn de Hessebembel kippt, die Groko übern Jordan hippt. Wenn der Deifel hält die Messe, wern die Grüne Chefs von Hesse." Irgendwie will Schwarz-Grün weitermachen wie bisher, die Differenzen sind ja klein. Neben dem Diesel-Dauerbrenner ist es eigentlich nur die Gesichtserkennung, bei der man unterschiedlicher Ansicht ist. Die Schwarzen (und die AfD) wollen die Videoüberwachung mit Gesichtserkennung einführen, die sich am Berliner Bahnhof Südkreuz in "beeindruckender Weise bewährt" haben soll, die Grünen (und die Linke, die SPD und die FDP) sind dagegen. Die Grünen argumentieren mit dem Datenschutz, Linke und FDP mehr mit der Gefahr eines Überwachungsstaates. Bleibt die Frage, ob dieser Bembel nicht schon längst gut gefüllt wurde unter Schwarzgrün. Schließlich arbeitet Hessen mit Software von Palantir und ist zufrieden, wie berichtet: "Die Software ist wie ein zweites Gehirn für Polizisten, ein Gehirn mit Röntgenblick, das in einer Sekunde Dutzende Verbindungen erkennt."

*** Nur gut, dass die Software nur in polizeilichen Datenbanken rumsucht und laut Artikel gelegentlich ein bisschen Facebook anknabbert und nicht versucht, wie in den USA bekannt wurde, illegale Immigranten aufzuspüren, die US-Präsident Trump schnellstens abschieben möchte. Da helfen Firmen wie Amazon und Palantir. Derweil baut Trump die anstehenden "Midterms" gerade mit Hilfe der Immigrationsfrage zu einem Referendum über seine Präsidentschaft um. Wenn dabei seine Worte und nächtlichen Tweets bombig ankommen, ist dies die Schuld der dämlichen Medien.

*** Bekanntlich will Donald Trump passend zum Jahrestag der Kuba-Krise den INF-Vertrag aufkündigen. Ob damit der Wahnsinn des Wettrüstens von vorne losgehen kann, wie Franz Alt meint, oder ob er längst im Gange ist, wird angeregt diskutiert. Möglicherweise spielt auch der Faktor der Bevölkerungsveränderung eine Rolle. Besonders beruhigend ist es jedenfalls nicht, wenn er den Dr. Seltsam gibt, der nicht mit seinen iPhones spielt, sondern den Finger am Atomknopf hat, um einen "Deal" zu machen.

*** Die Debatte um die Atomwaffen verdeckt etwas den Blick auf andere Waffen, doch halt, ein neues Buch von Constanze Kurz und Frank Rieger ist erschienen, in dem es mächtig cyber-cybert. Ein Kapitel von "Cyberwar" ist online, dort heißt es zur Einordnung der Waffengattung: "Stuxnet war de facto ein Blick in den Waffenschrank, das neuzeitliche Äquivalent zu einem Atomwaffentest oder zum Auffahren einer neuen Interkontinentalrakete auf einer Militärparade." Wenn Stuxnet wirklich das "Äquivalent zu einem Atomwaffentest" gewesen sein sollte, dann muss der Begriff des Cyberwars viel weiter gefasst werden und in Richtung der hybriden Kriegführung gedeutet werden. Im Informationsraum wird ganz real gekämpft, in Norwegen hingegen nur geübt, wie es um die neuen Anforderungen nach dem Kalten Krieg bestellt ist.

*** Mitunter gibt es Zusammenhänge, die sich erst im Nachhinein als solche zu erkennen geben. In dieser Woche ging es bei "Zahlen, bitte" um die halb scherzhaft gesagte Antwort des KI-Pioniers John McCarthy, dass es 1,7 Einsteins brauche, um bei der Künstlichen Intelligenz größere Fortschritte zu erzielen. Tags darauf wurde bekannt, dass einer dieser Einsteins verstorben ist. Mit Trauer sei mit diesem Artikel als Karlheinz Meier erinnert, der am BrainScaleS-Chip arbeitete, an der Schnittstelle zwischen Hardware und Hirnware. Vielen wird Karlheinz Meier nicht als KI-Forscher, sondern als munterer Erklärbär physikalischer Phänomene in Erinnerung sein, die in einem Youtube-Kanal gesammelt sind. Mögen sie nicht dem digitalen Vergessen anheimfallen.

A star is born in Paderborn. Er heißt Beppo und steht in dem neuen Robotik und KI-Bereich des Heinz-Nixdorf-Museumsforum. Beppo fegt wie der berühmte Balayeur in der Ballade von Jaques Prevert, nur ohne Engel und Poesie. Dabei soll Beppo ein poetisches Vorbild haben. Was uns zur nächsten Ausstellung führt, die in Bayern angesiedelt ist und der Kunst, Kreativität und Technik des Computerpioniers Konrad Zuse gewidmet ist. Am andern Ende von Bayern liegt Vilshofen und auch dieser schöne Flecken bekommt ein Computer-Museum. Wenn das mal nicht zur neuen retro-c't passt, dann esse ich eine Disk^^^, also lieber eine Waffel.

Bekanntlich wird Deutschland mit Riesenschritten digitalisiert. In dieser Woche hat der IT-Planungsrat getagt und beschlossen, dass die erste Phase der Volldigitalisierung abgeschlossen ist. Nun beginnt die zweite Phase, die bis 2022 laufen soll. Schon im November soll es mit dem föderalen Informationsmanagement (FIM) losgehen, wobei wiederum die FITKO gegründet wird, die Förderale IT-Kooperation des Bundes und der Länder. Auf dem Papier ist Deutschlands Verwaltung internationaler Spitzenreiter in der Digitalisierung. Bereits Anfang 2019 kommt XDomina, äh XDomea, die "Spezifikation für den digitalen Dokumentenaustausch im föderalen Regierungshandeln." Das muss doch einmal gesagt werden!

(Bild: entnommen aus der FIfF 2/2018, mit freundlicher Genehmigung vom FIfF)

Sonst bleibt es nur bei Miesmacher-Meldungen wie der, dass der Präsentkorb von Feine Sahne Fischfilet niemals den Verfassungsschutz Meckpomm erreichte, den größten Förderer der Band. Er ging an die Tafel Schwerin. So geht Förderalismus, und wir Warten auf das Meer. Im Bauhaus tritt derweil Pur auf. (jk)