Cambridge-Analytica-Skandal: "Facebook wusste von Anfang an Bescheid"

Whistleblower Christopher Wylie beklagt auf dem Web Summit die Untätigkeit der sozialen Netzwerke und wünscht sich Politiker mit mehr Ahnung.

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Cambridge-Analytica-Skandal: "Facebook wusste von Anfang an Bescheid"

Christopher Wylie spricht auf dem Web Summit über Cambridge Analytica und Facebook.

(Bild: heise online)

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Der ehemalige Forschungsleiter des inzwischen insolventen Datenanalyseunternehmens Cambridge Analytica hat erneut schwere Vorwürfe gegen Facebook erhoben und sich für eine stärkere Regulierung der Branche ausgesprochen. "Facebook tut nichts gegen Desinformation", sagte Christopher Wylie am Dienstag auf dem Web Summit in Lissabon. "Facebook und ähnliche Unternehmen machen einfach ihren Job nicht."

Der 29-jährige Kanadier war maßgeblich am Aufbau von Cambridge Analytica beteiligt, das mit der Auswertung von Facebook-Daten den US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 massiv beeinflusst haben will. Im März 2018 ging Wylie an die Öffentlichkeit und brachte damit den Skandal ins Rollen, im Zuge dessen sich Facebook-CEO Mark Zuckerberg vor dem US-Kongress und dem EU-Parlament verantworten musste.

"Facebook wusste von Anfang an, was los ist, und hat nichts dagegen unternommen", sagte Wylie. Alles, was das Unternehmen interessiere, sei, den eigenen Datenschatz zu mehren. Auch die vermeintlich wohltätigen Initiativen des sozialen Netzwerks dienten diesem Ziel. "Sie bringen Internet-Infrastruktur in die ganze Welt, um dann die Daten verarbeiten zu können." Das sei eine moderne Form des Kolonialismus.

Darüber hinaus warnte Wylie vor den Gefahren der Künstlichen Intelligenz (KI). "Wir füttern all diese künstlichen Intelligenzen mit unseren Daten", sagte Wylie. "Was passiert, wenn sich diese KIs in ein paar Jahren anfangen zu vernetzen? Das ist doch beängstigend."

Das Problem seien auch Politiker, die keine Ahnung vom Internet hätten, meint Wylie. Die bräuchten sie aber, um die Auswüchse der technischen Entwicklung effektiv regulieren zu können. "Regulierung funktioniert", sagte der Whistleblower. "Mir kann keiner erzählen, dass wir die Atomindustrie regulieren können, aber nicht ein bisschen verdammten Code."

Weil die Unternehmen und die Institutionen versagen, müssten die Macher aktiv werden, meint Wylie. Alle in der Branche müssten sich "Gedanken über die ethischen Implikationen ihrer Arbeit machen". Mit solchen Forderungen stellt sich Wylie in eine Reihe mit Web-Vater Tim Berners-Lee, der am Montag auf dem Web Summit einen Art "New Deal" für das Internet gefordert hat. (vbr)