Organchips sollen Tierversuche unnötig machen

Sind drei von vier Tierversuchen ersetzbar? Organoide, Computermodelle und Organe auf einem Chip zählen zu den vielversprechendsten Ansätzen.

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Aufrüstung im Netz schwächt IT-Sicherheit

Hat die Organ-on-the-Chips maßgeblich mit entwickelt: der Mediziner und TissUse-Geschäftsführer Uwe Marx.

(Bild: Phillipp Arnoldt)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Christian Wolf

Rund Dreiviertel der Tierversuche in der Forschung könnten sich langfristig durch alternative Testmodelle und neue Entwicklungsmethoden ersetzen lassen, hoffen Wissenschaftler wie der Mediziner Uwe Marx. Der Chef der 2010 als Spin-Off aus der Technischen Universität Berlin gegründeten Biotechnikfirma TissUse hat in den vergangenen Jahren Organchips entwickelt, die sich zu ganzen Stoffwechselsystemen zusammenbauen lassen. Auf den Chips, bei denen die Organe über winzige Mikrokanäle mit Blut verbunden sind, ist beispielsweise Haut-, Darm-, Leber- und Nierengewebe aufgebracht.

Mit der Verbindung von Hautgewebe und Leber "lässt sich nachvollziehen, wie Kosmetika durch die Haut eindringen und in der Leber umgesetzt werden", sagt Marx. Dies sei in Europa im Tierversuch weder erlaubt noch bringe es aufgrund der Unterschiede zwischen Mensch und Tier etwas. Kombinieren die Entwickler Leber und Bauchspeicheldrüse, ließe sich damit möglicherweise Diabetes besser erforschen als im Tiermodell. Bei dieser Krankheit ist die Regulation des Hormons Insulin gestört, der Körper reagiert unzureichend oder gar nicht auf einen zu hohen Zuckergehalt im Blut. TissUse nun hat gezeigt, dass seine Organchips eine dem Menschen ähnliche Insulinregulation simulieren. "Wir haben bereits Vier-Organ-, Drei-Organ- und Zwei-Organ-Chips, die wir an die Industrie geben können", berichtet Marx.

TR 12/2018

Technology Review Dezember 2018

Dieser Beitrag stammt aus Ausgabe 12/2018 der Technology Review. Das Heft ist ab 08.11.2018 im Handel sowie direkt im heise shop erhältlich. Highlights aus dem Heft:

Aber das System hat auch Grenzen. Ein Grund ist die geringe Größe der Chips. Damit lassen sich vor allem jene physikalischen Prozesse nicht simulieren, die in den weit größeren menschlichen Organen ablaufen. Als Beispiel nennt Marx einen Herzchip: "Die komplette Dynamik des Blutflusses eines – sagen wir 1,80 Meter großen – stehenden Menschen mit fünf Litern Blut, die quasi einen Wassersäulendruck bilden, das kann man nur mit einem 300 Gramm schweren Herzmuskel nachbilden."

Nicht alle Tierversuche werden sich künftig also ersetzen lassen. Bei den Mini-Organoiden oder den Computermodellen tun sich die Wissenschaftler zum Beispiel noch schwer, das Potenzial genau zu beziffern. Und auch Uwe Marx glaubt, dass auf rund 15 bis 25 Prozent der Experimente wohl nicht verzichtet werden kann.

Mehr über die Alternativen zu Tierversuchen in der neuen Dezember-Ausgabe von Technology Review (im gut sortierten Zeitschriftenhandel und im heise shop erhältlich).

(inwu)