Macht die Windkraft die USA wärmer?

Eine Harvard-Studie hat untersucht, ob ein breiter Ausbau der Windenergie dazu führen könnte, dass sich das lokale Klima verändert.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Macht die Windkraft die USA wärmer?

(Bild: "Wind Power Sunset" / wjWalrus / cc-by-2.0)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • James Temple
Inhaltsverzeichnis

Seit dem Jahr 2000 hat sich die Anzahl der Windkraftanalagen in den Vereinigten Staaten von Amerika verfünfunddreißigfacht. Mittlerweile sorgt der umweltfreundliche Energieträger für acht Prozent des Stroms in dem Land. Und das amerikanische Energieministerium erwartet, dass die Kapazität der Turbinen sich bis 2050 nochmals vervierfachen könnte.

Mehr Infos

Eine kürzlich publizierte Studie von Harvard-Forschern sät nun allerdings Bedenken, ob das eine gute Idee ist. Windkraft kann nämlich – zumindest regional – für eine Erwärmung des Klimas sorgen – in den kommenden Jahrzehnten. Die Untersuchung hinterfragt, ob es wirklich so sinnvoll ist, viel Windkraft zu nutzen, um die Stromerzeugung sauberer zu machen.

Die Studie, die im Journal "Joule" publiziert wurde, kam zu dem Schluss, dass Windkraft, falls sie für die vollständige Stromversorgung der USA zuständig wäre, die Oberflächentemperatur der Landesteile auf dem amerikanischen Kontinent um 0,24 Grad Celsius erwärmen könnte. Das wäre deutlich mehr als die Reduktion bei der Erwärmung der USA, wenn man dort den gesamten Stromsektor grüner macht – hier wird mit 0,1 Grad Celsius gerechnet.

"Wenn man sich die Perspektive der nächsten zehn Jahre ansieht, hat Windkraft in einigen Bereichen mehr negativen Einfluss auf den Klimawandel als Kohle und Erdgas", meint David Keith, Professor für angewandte Physik und Public Policy an der Harvard-University. "Schaut man natürlich auf die nächsten 1000 Jahre, ist Windkraft enorm sauberer als Kohl oder Gas."

Besonders jene "vermiedene Erwärmung", die durch die Eliminierung fossiler Energieträger erreicht werden könnte, übersteige die Erwärmung durch Windkraft – berechnet auf rund ein Jahrhundert, in dem sich CO2-Reduktionen akkumulieren.

Keith und der leitende Autor des Papers, Lee Miller, ein Postdoc in Harvard, betonen, dass ihre Schlüsse dazu führen sollen, dass Forscher und Politiker die Nebenwirkungen von Windkraft ernst nehmen. Sie sollten sich genau überlegen, welche Rolle die Energiequelle beim "Greenshift" einnehmen soll.

"Unsere Analyse legt nah, dass es – wenn möglich – sinnvoll wäre, bei der Entwicklung von Solarenergie in den USA mehr Druck zu machen und ein bisschen weniger auf Wind zu setzen", so Keith.

Bei der Studie kam unter anderem heraus, dass der Klimaeffekt bei der Windkraft im untersuchten Szenario 10 Mal größere Klimaeffekte hatte als die von Solarparks, bei denen es einen winzigen Effekt geben kann.

Das Kernproblem von Windrädern ist, dass ihre Turbinen Strom generieren, indem sie der Umgebungsluft Energie entziehen – sie verlangsamen den Umgebungswind und verändern auch auf andere Arten den "Austausch von Wärme, Feuchtigkeit und dem Momentum zwischen Oberfläche und Atmosphäre", so Keith und Miller. Das kann zu einem Erwärmungseffekt führen.

Frühere Studien hatten diesen Effekt bereits beschrieben, betrachteten ihn allerdings entweder nur im Kleinen oder ganz großen globalen Kontext. Die neue Studie setzte nun auf eine "plausible Skala" von Windkraftanlagen in einem einzelnen großen Land. Sie verglich Modellergebnisse mit direkten Beobachtungen an Windkraftanlagen und prüfte, ob diese zusammenpassten.

Die Studie kommt allerdings mit einigen wichtigen Einschränkungen. Dazu gehört, dass der Erwärmungseffekt sehr stark von lokalen Wetterbedingungen abhängt – genauso wie von der Art und der Platzierung der Turbinen. Effekte außerhalb der US-Landmasse wurden ebenso wenig untersucht wie Zeiträume, die über einem Jahr lagen. Hinzu kommt, dass es wohl niemals dazu käme, dass die Windkraft derart massiv ausgebaut wird, wie die Forscher es sich hier vorstellen.

Entsprechend gibt es auch Kritik. John Dabiri von der Stanford University meinte, die Simulationen verwendeten einen erhöhten Luftwiderstand auf der Erdoberfläche als Proxy für die Windturbinen. "Es ist weitläufig bekannt, dass diese Art der Modellierung einen schlechten Job macht, wenn es um die Modellierung der Luftströme um echte Windkraftanlagen geht."

Dabiri ist Experte für das Design von Windkraftanlagen und sagt, "realistischere" frühere Simulationen hätten gezeigt, dass es nur "geringe Temperaturveränderungen nahe der Erdoberfläche" gebe.

Die amerikanische Vereinigung für Windenergie hinterfragte das Framing der Ergebnisse der Harvardforscher ebenfalls schnell. "Da die Untersuchung sich nur auf örtliche Veränderungen in einem kurzen Zeitraum konzentriert, findet sie einen deutlich überschätzten Oberflächentemperatureffekt im Vergleich zu dem von fossilen Energieträgern", so ein Statement des früheren Seniorforschungsdirektors der Organisation, Michael Goggin. "Wenn das Paper stattdessen die globalen und langlebigen Zeitskalen untersucht hätte, die wirklich zählen, wären die Erneuerbaren mehrere Hundert Male besser weggekommen – wenn nicht gar unendlich besser."

Die Harvard-Forscher entgegnen, ihre Ergebnisse hätten den direkt messbaren Effekten in Hunderten US-Windkraftanlagen entsprochen. Keith, der selbst ein deutlicher Verfechter sauberer Energieträger ist und sich als Klimaschützer bezeichnet, meint, ihm sei klar, dass die Studie fehlinterpretiert werden könnte – und zwar durch solche Personen, die versuchten, den breiten Rollout von Windkraftanlagen zu verhindern. "Doch es wäre unethisch für die Forschungscommunity, Effekte erneuerbarer Energieträger zu verstecken, nur weil wir denken, sie sollten vorangebracht werden."

(bsc)