Mit WLAN hinter geschlossene Türen blicken

Mit einem Smartphone und cleveren Algorithmen ist es möglich, die Position von Personen in einer Wohnung mit Hilfe von Funksignalen zu tracken.

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Mit WLAN hinter geschlossene Türen blicken

(Bild: MS. TECH)

Lesezeit: 6 Min.
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  • TR Online
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WLAN-Netze sind mittlerweile praktisch überall vorhanden – und sie füllen unsere Umwelt mit Funkwellen. Egal ob zuhause, im Büro oder auf der Straße – die Menschen baden in einem konstanten Hintergrundfeld auf den Frequenzen 2,4 und 5 Gigahertz. Wenn Menschen sich bewegen, beeinflussen sie das Feld, reflektieren und brechen den Verlauf der Wellen.

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Dieses Faktum führte bei einer Gruppe von Forschern zu einer spannenden Idee: Zumindest in der Theorie müsste es doch möglich sein, aus den sich verändernden elektromagnetischen Feldern Position, Bewegung und sogar die aktuelle Tätigkeit von Personen zu schließen. Tatsächlich sollte es sogar möglich sein, mit WLAN bildgebende Verfahren zu schaffen und sogar hinter Mauern zu blicken.

Doch all diese Systeme hatten bislang Nachteile. Beispielsweise musste man wissen, wo die WLAN-Sender exakt standen und selbst im Netzwerk eingeloggt sein, um Signale hin und her zu schicken.

Für einen ordinären Schnüffler oder Spanner ist das unmöglich – er oder sie dürfte nur über einen handelsüblichen WLAN-Sniffer verfügen, wie er in Smartphones steckt. Diese Geräte sind zu einfach, um nützliche Details darüber zu erfahren, was hinter geschlossenen Türen passiert. Nur vorhandene WLAN-Netze lassen sich so natürlich feststellen.

Ein Forscherteam um Yanzi Zhu von der University of California in Santa Barbara hat nun gezeigt, dass es auch anders geht. Dort wurde ein Verfahren entwickelt, bei dem nur die Umgebungs-WLAN-Signale und ein handelsübliches Smartphone benötigt werden.

Der Ansatz erlaube ein bislang ungekanntes Eindringen in die Privatsphäre. "Angreifer könnten Smartphones verwenden, um ihre Opfer in ihren Häusern oder Büros zu lokalisieren und zu verfolgen – und zwar außerhalb der Mauern, nur durch die Reflexionen der WLAN-Übertragungen", so die Gruppe.

Könnten Menschen sehen, wie WLAN arbeitet, wären sie mit einer bizarren Landschaft konfrontiert. Türen und Wände wären fast transparent und fast jedes Haus oder Bürogebäude wäre von Innen wie mit einer hellen Glühbirne beleuchtet – dem WLAN-Sender.

Trotz dieser großangelegten Transparenz wäre es schwer, aus dieser Welt Rückschlüsse zu ziehen. Das liegt daran, dass Wände, Türen, Möbel und andere Gegenstände dieses "Licht" reflektieren und brechen neben der reinen Übertragung. Jedes mögliche Bild wäre also unmöglich verschmiert mit verwirrenden Reflexionen.

Wer an Bewegungen von Menschen interessiert ist, kann dies aber ignorieren. Menschen reflektieren und verzerren das WLAN-"Licht" genauso. Diese Verzerrung und deren Bewegung ist durch WLAN-"Augen" klar zu erkennen, auch wenn andere Details verschwommen wären. Diese verrückte WLAN-Vision würde klar zeigen, ob sich jemand hinter den Mauern befindet und ob er oder sie sich bewegt.

Auf dieser Basis arbeiten auch Zhu und Kollegen. Ihr System schaut auf Veränderungen in gewöhnlichen WLAN-Signale um die Präsenz von Menschen offenzulegen. Die Herausforderung ist dabei sogar noch größer als beschrieben, weil WLAN-Sniffer ein solches Bild erst gar nicht produzieren. Die Daten, die die Forscher verwenden, sind nur Messungen der Signalstärke an bestimmten Orten. Das lässt keine Rückschlüsse über die Position des Senders zu. Doch ohne diese Information ist es unmöglich, festzustellen, wo ein Mensch, der das Feld beeinflusst, sich befindet.

In einem ersten Schritt muss also zunächst der WLAN-Sender gefunden werden. Dies wird durch die Messung der Signalstärke von außerhalb des Zielgebäudes oder Zielraumes ermittelt. Eine App nutzt dabei die im Smartphone steckenden Beschleunigungsmesser, um Bewegung aufzuzeichnen und analysiert die Veränderungen der Signalstärke beim Gehen. Auf diese Art ist es möglich, die Position des Senders mittels mathematischer Verfahren zu errechnen, auch wenn es viele Reflexionen und Verzerrungen gibt.

Es ist sogar möglich, die genaue Position des Übertragers zu ermitteln, weil die meisten Häuser und Büros über öffentlich zugängliche Baupläne verfügen, die etwa auf Immobilienangeboten zu finden sind.

Ein paar Male außerhalb eines Raumes oder Gebäudes zu laufen, reicht offenbar aus, um den Sender zu finden. "Vier Messreihen mit Überprüfung der Konsistenz reichen aus, um den Ort im Durchscnitt mit einer Genauigkeit von 92,6 Prozent zu ermitteln."

Danach ist es nur eine Frage des Wartens. Bewegt sich nichts hinter den Wänden, bleibt das WLAN-Signal konstant. Doch schon kleine Bewegungen ändern das Signal auf eine Art, die sich leicht messen lässt.

Zhu und Team zeigen, wie verschiedene Bewegungsänderungen das Signal auf unterschiedliche Weise verändern. Beispielsweise verändert das Öffnen einer Tür das Feld in zwei nebeneinanderliegenden Räumen und ist so sehr einfach zu erkennen. Das Hin- und Hergehen erzeugt größere Verzerrungen und selbst kleine Aktionen wie das Tippen auf einem Computer verändert das vom Smartphone empfangbare WLAN-Signal.

In der Praxis überprüft wurde dies mit den Android-Handys Nexus 5 und 6. Es gelang in elf verschiedene Büros und Apartments zu schauen, von denen die Forscher zuvor die Genehmigung eingeholt hatten. Weitere Sender verbessern die Genauigkeit. "Wir sehen, dass zwei WLAN-Geräte in einem normalen Raum dazu führen, dass unser Angriff mehr als 99 Prozent der Nutzeranwesenheit und Bewegung ermitteln kann – zumindest in den Bereichen, die wir testen konnten." Es ist leicht vorstellbar, dass ein Angreifer die Technik nutzt, um festzustellen, ob ein Gebäude menschenleer ist oder nicht.

Es gibt verschiedene Methoden, diesen Angriff abzuwehren. Dazu gehört, WLAN-Signale auf bestimmte Bereiche zu begrenzen, was jedoch schwer zu implementieren ist und auch nicht immer hilft. Vielversprechender wäre es, Störsignale einzustreuen; dies wollen die Forscher demnächst ausprobieren.

Bis dahin sollte Nutzern bewusst sein, dass ein vorhandenes WLAN allein schon ein Risiko für die Privatsphäre ist. "Die Technik macht unser Leben besser, sorgt aber auch dafür, dass Informationen über uns und unsere Aktionen offengelegt wird, was wir selten nicht wissen." Aktuell wird das Risiko kaum beachtet. Das sollte sich schnell ändern.

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