Internet Governance Forum auf dem Weg nach Berlin: Mehr Regulierung, aber auch weniger

Das IGF in Paris hat Antworten auf drängende Fragen im Netz wie Hate Speech und Fake News, aber nicht alle sind gleich gut.

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IGF: Von Paris nach Berlin

(Bild: intgovforum.org)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Mehr IGF, aber auch mehr Staat und Regulierung im Internet heißt das Fazit des 13. Internet Governance Forum in Paris. Mit seiner viel diskutierten Rede hatte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron dem von manchen schon totgesagten Forum neues Leben eingehaucht. Weiter fehlt es an Geld und mehr Gewicht. Dafür setzen viele nun auf die Berliner Ausgabe in einem Jahr.

Ein ganzes Bündel von Schlussfolgerungen legten die Organisatoren nach 171 Panels, Podien und Plenen mit den 2000 angereisten und 1000 Online-Teilnehmern vor. So umfangreich wie das Programm sind auch die Schlussfolgerungen zu Cybersicherheit, Entwicklung und Innovation, Teilhabe, neue Technik, Fortentwicklung von Internet Governance, Menschenrechte und Mainstreaming, Medien und Content sowie operative Aspekte.

Darunter findet sich die Erkenntnis, dass das schnelle und harte Durchgreifen gegen schädliche beziehungsweise unerwünschte Inhalte – wie es Macron gefordert hatte – negative Effekte für das Netz haben kann. Auch wurde gefordert, den Status von Netzneutralität durch Messungen zu prüfen und Regierungen wurden dazu aufgerufen, Cyberkonflikte durch eine "Kombination von diplomatischen Bemühungen und vertrauensbildenden Maßnahmen" zu verhindern und freiwillige Normen als Richtschnur zu nutzen.

Fast im Handstreich haben die europäischen Gastgeber – zuerst die Schweiz im vergangenen Jahr und nun Frankreich – die Herausgabe solcher Schlussfolgerungen oder "Messages" als ein Ergebnis der IGF-Diskussionen durchgesetzt gegen den Widerstand von Staaten, die das IGF gerne noch unverbindlicher halten wollen. Zu denen hatte lange Zeit auch Deutschland gehört. In Paris versicherten Vertreter der deutschen Delegation aber, dass es in einem Jahr auch "Berliner Messages" geben wird.

Das IGF stehe am Scheideweg, hatten Macron und UN-Generalsekretär António Guterres zur Eröffnung verkündet. "Diskussionen über Internet Governance können nicht nur Diskussionen bleiben. Politische Regeln und Normen müssen entwickelt werden, um einen Effekt zu erzielen", sagte Guterres, selbst Europäer und der erste UN-Generalsekretär, der das IGF höchstpersönlich eröffnete.

Die deutschen Gastgeber wollen dem IGF durch ein parallel stattfindendes hochrangiges Regierungstreffen mehr Aufmerksamkeit verschaffen und durch eine mittlere sechsstellige Summe mehr Vertretern aus dem globalen Süden als bisher die Reise nach Berlin ermöglichen. Erneut wurde nämlich die mangelnde Beteiligung aus der arabischen Region und aus afrikanischen Ländern beklagt.

Dass schon zum dritten Mal Europa gastgeben soll, gilt vielen dabei als problematisch; doch hatten sich in den vergangenen beiden Jahren bis zuletzt keine Gastgeber gefunden, sowohl die Schweiz als auch Frankreich waren kurzfristig eingesprungen.

Die Idee, durch das Zusammenbringen von "Regierungsprominenz" Aufmerksamkeit zu bekommen, kritisierten manche IGF-Teilnehmer. Macrons parallel stattfindendes Paris Peace Forum habe dafür gesorgt, dass manche Teilnehmer die IGF-Debatten verlassen hätten. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm am Peace Forum, aber nicht am IGF teil. Mehr Parlamentarierkollegen aus aller Welt zum IGF zu bringen, planen die Abgeordneten des Digitalausschusses des Bundestags, sagte Manuel Höferlin (FDP) gegenüber heise online.

Die deutsche Delegation, zu der auch die Mitglieder des Digitalausschusses gehörten, kündigte zugleich mehrere Initiativen für die Zeit zwischen Paris und Berlin an. Unter anderem will sie zusammen mit der Agentur Missions Publique Bürgerdialoge in einhundert Ländern zur Netzpolitik veranstalten. An eine der harten Nüsse in der Netzpolitik macht sich eine vom Wirtschaftsministerium und vom Netzwerk Internet & Jurisdiction organisierte Konferenz im Juni 2019.

Seit 2012 versucht das Netzwerk Fortschritte zum Thema der gefallenen, virtuell neu errichteten oder extraterritorial in den globalen Cyberspace verschobenen Staatsgrenzen im Netz zu machen. In Paris diskutierten Strafverfolger aus Lateinamerika die Frage, was extraterritorial wirkende Gesetze wie der US Cloud Act, die eEvidence-Richtlinie und das ebenfalls geplante Cloud-Zusatzprotokoll zur Cybercrime-Konvention des Europarates bewirken. Zumindest eines, versicherte eine brasilianische Strafverfolgerin: Auch die lateinamerikanischen Länder würden künftig einen direkten Zugriff auf Daten via Provider in anderen Ländern verlangten.

Bertrand de la Chapelle, Gründer des Netzwerks und ehemaliger französischer Cyber-Botschafter, sieht in den Debatten kleine Schritte in Richtung eines Verständnisses, dass Gesetze nicht harmonisiert werden müssen, sondern dass es analog zur Technik interoperabler Standards bedarf. Ein solcher Standard könne die Verpflichtung zur richterlichen Überprüfung oder zumindest Aufsicht von Datenabfragen sein, bevor diesen auch grenzüberschreitend nachgekommen werden muss.

Abseits der Rufe nach Fremd- beziehungsweise Selbstregulierung, in der sich große Anbieter wie Facebook oder Youtube eingerichtet haben, pochen Unentwegte auf Alternativen. Jan Gerlach von Wikimedia forderte, die Gesetzgeber müssten Raum dafür lassen, dass Online-Communities sich selbst moderierten. Github sei als Software-Entwicklungsplattform zwar nicht mit großen Plattformen wie Facebook vergleichbar, versuche aber durch Schulung von der Moderatoren dafür zu sorgen, dass das Klima zivil und offen bleibt. Wer lokal dafür sorge, dass Mobbing oder Hasskommentare sanktioniert würden, nehme dem Gesetzgeber Arbeit ab, sagte Abby Vollmer, Githubs Policy Network Manager.

Wer sich in eine lokale Debatte über das IGF einklinken will, kann das in knapp zwei Wochen in Berlin tun. (anw)