Das Handy als Diagnosegerät, Bordcomputer und Dashcam im Auto

Leuchtet im Auto die Motorkontrolllampe, fährt man zur nächsten Werkstatt. Macht sie das allerdings als regelmäßigen Fehlalarm, dann sollte man versuchen, den Fehlercode einfach selbst zu löschen.

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Das Handy als Diagnosegerät, Bordcomputer und Dashcam im Auto
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Axel Kossel
Inhaltsverzeichnis

Penny und Sheldon aus der TV-Serie Big Bang Theory sind sich oft uneins. Auch hinsichtlich der leuchtenden Motorkontrolllampe in Pennys Auto: Während Penny unbekümmert weiter fährt, will Sheldon, dass sie umgehend die Werkstatt aufsucht. Als die Lampe an meinem Auto das erste Mal anging, hielt ich es wie Sheldon. Die Werkstatt wechselte für 300 Euro ein Ventil in der Abgasrückführung.

Nach wenigen Monaten ging die Lampe wieder an und die Werkstatt las denselben Wert aus dem Fehlerspeicher aus. Ich redete von Gewährleistung, der Meister schlug vor, den Fehler zu löschen und abzuwarten. Die Lampe blieb aus – für etwa ein halbes Jahr.

Mittlerweile war ich etwas werkstattmüde und suchte nach einer anderen Lösung. Ich fand sie in Form eines Adapters für die OBD2-Schnittstelle (On-Board-Diagnose), die eigentlich dem Diagnosegerät der Werkstatt vorbehalten ist. Der Adapter macht mein Handy zum Diagnosegerät – und nebenbei auch zum Bordcomputer, weshalb es jetzt immer in einer Halterung mitfährt.

Der Adapter überträgt per Bluetooth Daten zwischen den Steuergeräten des Autos und dem Android-Handy, auf dem die App Torque unter anderem Fehlercodes ausliest. Ich fand so den Fehler P0410 und konnte ihn löschen.

Das Spiel wiederholt sich etwa zwei Mal im Jahr. Manchmal tritt der Fehler nach dem Löschen erneut auf; spätestens nach dem dritten Rücksetzen bleibt die Lampe aus. Am besten klappt es, wenn ich bei stehendem Motor und eingeschalteter Zündung lösche und danach den Motor starte. So habe ich bei mehreren Bekannten verschiedene Fehlercodes nachhaltig aus den Steuergeräten gelöscht.

Damit das klappt, muss der Wagen eine OBD2-Schnittstelle besitzen. Dieser ursprünglich in den USA eingeführte Anschluss ist in Europa für Benziner seit 2000 und für Diesel- und Gasfahrzeuge seit 2004 Pflicht. Die Buchse mit 16 PINs, von denen 9 standardmäßig belegt sind, befindet sich im Bereich unter dem Lenkrad oder in der Mittelkonsole, oft hinter einer Klappe versteckt. Meist liefert Google ein Foto, wenn man „OBD2“ und die Modellbezeichnung des Autos eingibt.

Über diese Schnittstelle und einen Adapter können Computer die Fehlerspeicher der Steuergeräte auslesen und löschen. Es gibt allerdings eine ganze Reihe von SAE- und ISO-Protokollen für die OBD2-Schnittstelle. Ein Adapter sollte alle beherrschen, damit er in möglichst vielen Fahrzeugtypen funktioniert. Dazu wird häufig der Controller ELM327 eingesetzt, den auch die meisten Smartphone-Apps unterstützen. Auf Amazon und eBay findet man eine reiche Auswahl von Adaptern zwischen 10 und 20 Euro, die einen China-Nachbau des ELM327 enthalten.

In der Praxis funktionieren die Adapter meist ganz prima. Wir haben etliche auf ihren Stromverbrauch im Standby untersucht und Werte zwischen 20 und 60 mA gemessen. Man kann den Adapter also auch angeschlossen lassen, ohne dass er die Batterie gleich leer nuckelt. Voraussetzung ist dabei, dass er etwa in der Nähe der Pedale nicht im Weg ist. Kleine Adapter sind daher vorzuziehen.

Bei Amazon und eBay gibt es solche OBD2-Adapter, die Daten aus dem Auto per Bluetooth oder WLAN ans Handy übertragen, für 10 bis 20 Euro.

Es gibt zwei Adaptertypen: mit Bluetooth und mit WLAN. Android-Nutzer benötigen in der Regel einen Bluetooth-Adapter, da die WLAN-Varianten im Ad-hoc-Modus arbeiten. Mit dem kommt Android nur klar, wenn man das Handy rootet und einen Ad-hoc-Hack installiert. Die WLAN-Adapter sind meist etwas teurer und erste Wahl für iPhone-Besitzer – iOS unterstützt die Bluetooth-Profile der billigen Adapter nicht, sondern arbeitet nur mit solchen zusammen, die Bluetooth 4.0 beherrschen.

Ein Beispiel hierfür ist der DNT OBD2 Bluetooth, der rund 100 Euro kostet. Er trägt im Unterschied zu den Billigadaptern ein ECE-Prüfzeichen und darf auch während der Fahrt mit der Fahrzeugelektronik verbunden sein. Fürs Auslesen und Löschen des Fehlerspeichers ist dies aber nicht nötig.

Die App von dnt bietet nicht so viele Zusatzfunktionen wie Torque unter Android oder DashCommand unter iOS. Bei Torque reicht bereits die kostenlose, werbefinanzierte Variante zum gelegentlichen Fehlersuchen und -löschen aus.

Auf dem iPhone kommt man so günstig nicht davon. Zwar gibt es auch kostenlose Versionen von iOS-Apps. Die arbeiten jedoch nur mit teuren OBD2-Adaptern des jeweiligen Herstellers zusammen oder löschen erst Fehler, nachdem man diese Funktion per In-App-Kauf freigeschaltet hat. Das kostet zum Beispiel bei EOBD-Facile 20 Euro. Da ist es günstiger, DashCommand für rund 10 Euro zu kaufen.

Torque bietet an, nach der Bedeutung des im Steuergerät gespeicherten Fehlercodes zu suchen. Die Erklärungen sind aber nicht immer erhellend.

Bei einem echten Defekt hilft das Löschen des gespeicherten Fehlercodes natürlich nicht. Als zum Beispiel der Stecker von der Lambdasonde abgegangen war, ging die Kontrollleuchte logischerweise gleich wieder an. Doch Torque gab eine kurze Beschreibung zum Fehlercode aus und bot zudem direkt eine Websuche nach dem Code an. Das brachte mich auf die richtige Spur und nach 10 Minuten hatte ich den einfachen Fehler selbst behoben. Allerdings geben die Beschreibungen der Codes in den Apps und im Internet meist nur sehr vage Hinweise auf die Fehlerursache.

Das liegt unter anderem daran, dass die Hersteller unterschiedliche Codes benutzen. Für eine genauere Diagnose gibt es Software wie ScanMaster-ELM, die eine Datenbank mit Fehlercodes diverser Hersteller mitbringt. Sie läuft unter Windows; man muss also ein Notebook mit dem OBD2-Adapter koppeln. Außerdem gibt es herstellerspezifische Handy-Apps wie Carly für BMW, die mehr können als die allgemeinen Tools.

DashCommand und Torque zeigen nicht nur Fehlercodes an, sondern können dem Auto auch während der Fahrt auf die Finger schauen: Sie lesen in Echtzeit Motordaten wie Drehzahl, Temperatur von Kühlwasser und Ansaugluft, Luftmasse, Drosselklappenstellung, Saugrohrunterdruck oder Zündwinkel aus. Außerdem greifen die Apps auf Sensoren des Handys zu, insbesondere auf GPS und Beschleunigung. Kombiniert mit Daten vom Steuergerät, die Auskunft über die aktuelle Motorlast geben, und Angaben des Benutzers zum Fahrzeuggewicht und zur Motorleistung lassen sich die am Hinterrad anliegenden PS und Nm halbwegs genau schätzen. Diese Daten kann man sich als virtuelles Cockpit auf dem Handy darstellen lassen – quasi ein zweiter Bordcomputer.

Torque sucht etwa eine Minute nach Fehlercodes und zeigt dann an, warum die Motorkontrolllampe brennt. Manche Fehler treten sporadisch auf und es genügt, den Fehlercode zu löschen.

Allerdings liefert nicht jede OBD2-Schnittstelle dieselben Daten, da nicht jedes Fahrzeug die gleichen Sensoren aufweist und jeder Hersteller beim Protokoll sein eigenes Süppchen kocht. Die Apps müssen sich darauf einstellen, um etwa den Benzinverbrauch ermitteln zu können. Das geht am einfachsten, wenn ein spezieller Sensor vorhanden ist. Andernfalls werden die Daten vom Luftmengenmesser herangezogen. Einige Apps nutzen den Saugrohrdruck als Anhaltspunkt. Je nach Datenlage und Algorithmus können die Berechnungen der App ungenauer ausfallen, daher kann man einen Korrekturfaktor vorgeben.

Eine sehr genaue Messung der aktuellen Leistungswerte ermöglicht für ausgesuchte Fahrzeuge die Kombination aus App und OBD2-Adapter namens DriveDeck Sport Pro, die allerdings 300 Euro kostet. Sie enthält eine Fahrzeugdatenbank mit Motor- und Getriebedaten. Für darin aufgeführte Modelle gibt die App dann den eingelegten Gang sowie Motorleistung und Drehmoment aus. Der Hersteller gibt an, die Berechnung basiere auf einem patentierten Verfahren und sei auf dem Leistungsprüfstand justiert worden.

Jetzt fehlt noch eine Möglichkeit, Details von sportlichen Fahrten aufzuzeichnen. TrackDrive, die Aufnahmefunktion in DriveDeck Sport, nimmt mit dem an der Frontscheibe befestigten Handy ein Video auf und speichert die über den Adapter eingelesenen Daten dazu. Beim Abspielen archivierter Tracks kann man zeitsynchron zwischen Video und Karte (Google mit oder ohne Satellit) umschalten. Im Video werden viele Daten eingeblendet, in der Kartenansicht sind es noch mehr. Außerdem kann man die Strecke farblich hinterlegen, etwa um den Verlauf von Verbrauch oder Geschwindigkeit anzuzeigen. Auch Punkte, an denen Maximalwerte erreicht wurden, lassen sich auf der Karte markieren.

Deutlich einfacher fällt die Dashcam-Funktion von Torque aus, die aber ebenfalls ausgewählte Werte, die der OBD2-Adapter liefert, im Video einblendet.

Allerdings muss man bei solchen Dashcam-Aufnahmen vorsichtig sein. Ähnlich wie Urlaubsvideos verletzen sie zwar nicht die Persönlichkeitsrechte anderer Verkehrsteilnehmer. Sie dürfen jedoch nicht veröffentlicht werden. Datenschutz-Aufsichtsbehörden und Gerichte sind sich einig, dass das permanente Filmen des Verkehrsgeschehens nur zulässig sei, wenn sichergestellt ist, dass die Aufnahmen den privaten Bereich nicht verlassen.

Heikel wird es, wenn man ein solches Video nach einem Unfall als Beweis vorlegt. Denn das ist ebenfalls eine Veröffentlichung und wird nicht von allen Gerichten als zulässig angesehen. Wenn die Aufnahmen nur gespeichert werden, weil die Kamera durch starke Verzögerung einen Unfall bemerkt oder der Fahrer auf Speichern drückt, ist die Verwendung des Videos als Beweismittel unproblematisch. Das kann Torque allerdings nicht; dafür benötigt man eine App wie DailyRoads Voyager.

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