eBay: Schummeln mit dem Bewertungssystem

99,9 Prozent positive Bewertungen erwecken den Eindruck, es mit einem absolut seriösen Anbieter zu tun zu haben. Doch geschickte Verkäufer können tricksen, wie unser Autor erfahren hat.

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Neue eBay-Masche: Kauf-Abbruch

(Bild: "ebay store" / Jeremi Joslin / cc-by-2.0)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Sascha Mattke
Inhaltsverzeichnis

Der Mann hört sich an, als hätte er Erfahrung mit solchen Anrufen: „Ich verstehe Ihren Unmut“, sagt er mit leichtem Ruhrpott-Akzent, „das muss ein Versehen der Versandabteilung gewesen sein“. Worum es ging: Auf eBay hatte der Angerufene iPhones angeboten – zu einem günstigen Preis und angeblich nagelneu. Geschickt wurde dann ein offensichtlich gebrauchtes Telefon mit vielen Kratzern, lieblos verpackt in Plastikfolie und ohne das originale Zubehör.

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War das wirklich ein Versehen? Bei einem weiteren Anruf am nächsten Tag sagt der Verkäufer, seine „Versandabteilung“ habe die Angelegenheit geprüft und festgestellt, dass das gewünschte Gerät auch in neu vorrätig ist. Der Käufer solle das alte Gerät zurückschicken und werde dann im Austausch das korrekte neue erhalten. Zwei Tage nach dem Absenden aber kommt von eBay plötzlich die Nachricht, der Kauf sei vom Verkäufer abgebrochen werden; der per PayPal bezahlte Kaufpreis wird zurückerstattet. Auf Nachfrage erklärt der Verkäufer, auch die Rückerstattung sei versehentlich erfolgt. Man könne den Artikel gern erneut über eBay von ihm erwerben, Neugeräte aber habe er dort „noch nie“ angeboten.

Wer bei eBay einkauft und kein völliger Neuling ist, schaut sich vor dem Kauf die Bewertungen der in Frage kommenden Verkäufer an. Zwar hat die Plattform eine Reihe von Schutzmechanismen eingerichtet, die Betrug verhindern sollen, doch kaum jemand möchte den Ärger und die Umstände dafür riskieren – deshalb lieber gleich einen Anbieter mit Top-Bewertungen. Doch genau das wissen auch die Verkäufer. Und manche von ihnen finden immer neue Tricks, um einen besseren Eindruck zu machen, als sie mit ihren Praktiken verdient hätten.

So gibt es Verkäufer, die kleine Geschenke anbieten, wenn Käufer eine positive Bewertung abgeben, was nach den eBay-Regeln verboten ist. Das ist ein relativ einfacher Fall – sobald die Plattform davon Kenntnis erhält, kann sie dagegen vorgehen. Der iPhone-Verkäufer aber scheint raffinierter vorzugehen. Tatsächlich hat er offenbar schon häufiger alte Geräte als neu verkauft. Trotzdem aber kam er Anfang Dezember auf eine Quote von 99,9 Prozent positiven Bewertungen, was ein sehr guter Wert ist.

Um das zu verstehen, muss man tiefer in die Bewertungssystematik von eBay einsteigen. So sollte man glauben, 99,9 Prozent positive Bewertungen würden bedeuten, dass sich 999 von 1000 Käufern positiv zu einer Transaktion geäußert haben. Das stimmt aber nicht: „Der Prozentsatz positiver Bewertungen berechnet sich aus allen erhaltenen positiven und negativen Bewertungen für Transaktionen (…). Neutrale Bewertungen werden nicht in diese Berechnung des prozentualen Anteils positiver Bewertungen einbezogen“, teilt die eBay-Pressestelle auf Anfrage mit.

99,9 Prozent positive Bewertungen sind also in Wirklichkeit lediglich so zu verstehen, dass das Verhältnis von positiven zu negativen Bewertungen 999 zu 1 ist. Das klingt nach einem feinen Unterschied, kann aber in die Irre führen: Theoretisch würde selbst ein Verkäufer, der von 499 Käufern neutral, von einem negativ und von weiteren 500 positiv bewertet wird, noch auf die überzeugend erscheinende Quote von 99,8 Prozent kommen. „Neutrale Bewertungen sind weder negativ noch positiv und werden daher nicht mit eingerechnet“, schreibt eBay zur Erklärung. Diese Informationen lassen sich auch auf den eBay-Hilfeseiten finden, aber für die meisten Käufer dürften sie überraschend sein.

Und genau darauf scheint der iPhone-Verkäufer zu setzen. Bei näherem Hinschauen zeigt sich, dass er zwar nur 15 negative Bewertungen hat, aber immerhin 429 neutrale. Bei insgesamt 25.333 Bewertungen würde er also nur noch auf eine Positiv-Quote von 98,2 Prozent kommen. Das sieht viel weniger überzeugend aus und wäre für vorsichtige Käufer schon ein Warnsignal. Und tatsächlich werden allein in 12 der 36 neutralen Bewertungen für den Verkäufer aus dem letzten Monat ähnliche Fälle geschildert.

„iPhone nicht neu. IMEI: Oct. 2016 aktiviert. Angeblich ein Versehen“, schreibt zum Beispiel ein Käufer. Und auch die einzige negative Bewertung des letzten Monats stammt von einem Kunden, der ein neues iPhone erwartet, aber ein altes erhalten hat: „iPhone lt.Art.beschreibung neu, geliefert wurde eins mit starken Gebrauchspuren“. Dass die meisten enttäuschten Käufer nach solchen Erfahrungen noch eine neutrale Bewertung abgeben statt einer negativen, wirkt sehr großzügig. Erklären lässt es sich vielleicht damit, dass der Verkäufer offenbar problemlos den Kaufpreis zurückerstattet und am Telefon freundlich auftritt (in der ersten E-Mail zur Kaufabwicklung bittet er darum, bei Problemen nicht gleich schlecht zu bewerten, sondern erst einmal die angegebene Mobilnummer anzurufen).

Möglicherweise aber haben noch mehr Kunden negative Erfahrungen mit dem Verkäufer gemacht, aber keine Chance gesehen, andere vor ihm zu warnen: Nach dem Kaufabbruch bei dem eingangs geschilderten Fall war in der Kauf-Übersicht die sonst verfügbare Option zur Bewertung nicht mehr vorhanden. Die eBay-Pressestelle erklärte später, wie die Bewertungsmöglichkeit über Umwege trotzdem zu finden ist. Aber so viel Aufwand dürfen enttäuschte Käufer, nachdem sie zumindest ihr Geld zurückbekommen haben, nicht mehr treiben.

Das Problem bleibt jedenfalls bestehen: Ein Verkäufer, der laut Bewertungen allein im letzten Monat mindestens 13-mal alte iPhones als neu verkauft hat, glänzt auf eBay mit einer hervorragenden Bewertungsquote. Die Frage, ob sich Fälle wie dieser möglicherweise häufen und was dagegen getan wird, ließ die Pressestelle hartnäckig unbeantwortet.

(sma)