Australiens Parlament verabschiedet Anti-Verschlüsselungsgesetz

In Australien erhalten Sicherheitsbehörden die Befugnis, sich über Hintertüren oder Staatstrojaner Zugang zu verschlüsselter Kommunikation zu verschaffen.

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(Bild: dpa, Rainer Jensen/Archivbild)

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Das australische Parlament hat am Donnerstag kurz vor der Weihnachtpause einen heftig umstrittenen Gesetzentwurf beschlossen, der den nationalen Sicherheitsbehörden weitgehende neue Kompetenzen zum Aushebeln von Verschlüsselung gibt. Die Polizei und der Geheimdienst ASIO (Australian Security Intelligence Organisation) dürfen demnach künftig auf Basis eines speziellen Durchsuchungsbefehls für Computer und andere IT-Systeme Beweismaterialien etwa in Form verschlüsselter Kommunikation direkt von Geräten eines Verdächtigen erheben.

Die Ermittler und Agenten können dafür einerseits auf eigene Instrumente setzen wie Staatstrojaner, deren Einsatz etwa im Rahmen der Quellen-Telekommunikationsüberwachung auch hierzulande erlaubt ist. Dabei geht es darum, Kommunikation etwa von Messenger-Apps oder Diensten zur Internet-Telefonie wie WhatsApp, Signal oder Skype auf einem Smartphone oder Rechner vor einer Ver- oder nach einer Entschlüsselung abzugreifen. Die staatlichen Computerwanzen sind zudem für darüber hinausgehende heimliche Online-Durchsuchungen geeignet.

Das australische Gesetz zur "Beihilfe und zum Zugang" zu Telekommunikation sieht aber zusätzliche Befugnisse vor, mit denen die Sicherheitsbehörden auch die Anbieter von Geräten und Diensten wie Apple, Google oder Facebook dazu verdonnern kann, ihnen den Zugriff auf verschlüsselte Nachrichten oder Dateien im Klartext zu ermöglichen. Leiter oder führendes Sicherheitspersonal der berechtigten Ämter dürfen so etwa ein "technisches Beihilfeersuchen" an eine Firma stellen.

Der in Australien auch als Generalanwalt fungierende Justizminister erhält zudem die Befugnis, mit einem umfassenderen "technischen Befähigungsersuchen" Telekommunikationsanbieter zu verpflichten, prinzipielle Zugangsmöglichkeiten für die berechtigten Stellen zu eröffnen. Praktisch sind damit Hintertüren eingeschlossen, um Verschlüsselung zu umgehen. Beachten müssen die Ordnungshüter und Spione dabei nur, dass zusammen mit den angeforderten technischen Möglichkeiten keine "systematischen Schwächen" in die betroffenen Produkte oder Systeme mit eingefügt werden.

Die Initiative geht auf einen Gesetzentwurf des Innenministeriums und der aus verschiedenen national-liberalen und konservativen Fraktionen bestehenden Regierungskoalition vom August zurück. Zuvor hatten sich Anbieter wie Apple einer "freiwilligen Zusammenarbeit" verweigert. Sie argumentierten, dass Hintertüren die Sicherheit aller Nutzer verringerten.

Das neue Vorhaben kritisierten neben Bürgerrechtlern auch nationale Verbände der Digitalwirtschaft scharf. Mit "Backdoors" könnten australische Produkte international nicht mehr verkauft werden, gaben einheimische IT-Unternehmen zu Bedenken. Selbst der Präsident des Senats, Scott Ryan, warnte, dass der Schutz von Berufsgeheimnissen der Volksvertreter ausgehebelt würde.

Die Koalition brachte daher noch ein Korrekturanträge ins Parlament ein. Demnach sollen die Anti-Verschlüsselungskompetenzen begrenzt werden auf die Abwehr und die Verfolgung "schwerer Verbrechen" wie Terrorismus, sexuellen Missbrauch oder andere Delikte, die mit mindestens drei Jahren Gefängnis bestraft werden können. Für drastische Mittel wie Hintertüren wird die Unterschrift des Kommunikationsministers nötig. Der parlamentarische Geheimdienst- und Sicherheitsausschuss soll ferner das Gesetz im kommenden Jahr weiterentwickeln. Binnen 18 Monaten ist eine unabhängige Evaluation vorgesehen. (vbr)