EU: höhere Grenzwerte bei Euro-6-Tests rechtswidrig

Die EU-Kommission hat nach Ansicht des Gerichts der Europäischen Union einseitig höhere Abgas-Grenzwerte festgelegt. Madrid, Paris und Brüssel hatten dagegen geklagt. Jetzt müssen zügig neue Regeln her

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Bosch Diesel
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  • dpa

Die drei europäischen Metropolen Paris, Brüssel und Madrid haben erfolgreich gegen die Lockerung von Grenzwerten bei neuen Abgastests auf der Straße geklagt. Das EU-Gericht in Luxemburg entschied am Donnerstag (13. Dezember 2018), dass die EU-Kommission Stickoxid-Grenzwerte für Autos der Norm Euro-6 zu unrecht einseitig neu berechnet habe.

Bosch zeigte mit einem umgerüsteten Volkswagen-Dieselmotor, dass der Conformity Factor, mit dem der Grenzwert für eine Übergangszeit von 80 auf 168 mg/km gesetzt wurde, eigentlich nicht nötig wäre. 

(Bild: Bosch)

Die Behörde habe dabei ihre Kompetenzen überschritten, die beanstandete Verordnung muss jetzt überarbeitet werden. Es geht dabei um die Erweiterung der Auto-Abgastests von Labor- um Straßenprüfungen, sogenannte RDE-Tests. Dabei wollte die EU-Kommission den für die Euro-6-Norm geltenden Grenzwert von höchstens 80 Milligramm Stickoxid pro Kilometer (mg/km) für eine Übergangszeit auf 168 mg/km und danach auf 120 mg/km ändern. Begründet wurde dies mit dem Ausgleich statistischer und technischer Ungenauigkeiten bei der Umstellung. Bisher ermittelte Laborwerte sind oft viel niedriger als jene, die im echten Fahrbetrieb entstehen.

In allen drei klagenden Städten gelten mehr oder weniger strenge Fahrverbote. Sie befürchten, dass womöglich auch solche Autos in Sperrzonen einfahren dürfen, die die dafür rechtsgültigen Grenzwerte nicht einhalten können. Und wegen der Festlegung der Kommission könnten sie in dem Fall nicht einschreiten.

In Paris dürfen Dieselautos mit Erstzulassung vor 2001 und Benziner mit Baujahr vor 1997 in der Woche tagsüber nicht mehr überall fahren. In Brüssel gibt es seit Anfang des Jahres ein Fahrverbot im gesamten Großraum der Stadt für sehr alte Diesel mit der Schadstoffklasse Euro-1 oder ganz ohne Euronorm. Auch in Madrid sind Ende November viele alte Autos aus der Innenstadt verbannt worden.

Gemäß der Entscheidung des EU-Gerichts muss eine entsprechende Verordnung, in der die beanstandeten Grenzwerte festgelegt wurden, neu beraten werden. Das Gericht hat die Kommission, das Europaparlament und den Rat aufgefordert, neue Regeln festzulegen. Ob und wie sich die Grenzwerte am Ende verändern, ist noch offen.

Für mindestens 14 Monate soll erst einmal Rechtssicherheit gewahrt bleiben. So will man sicherstellen, dass es weiterhin gültige Grenzwerte gibt. Die Entscheidung der ersten EU-Instanz kann in der Regel vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auch noch angefochten werden.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) geht bereits davon aus, dass die Entscheidung des EU-Gerichts „weitreichende Folgen für zukünftige Gerichtsurteile“ nach sich ziehen dürfte – „über Musterklagen bis hin zu Klagen um Neuzulassungen und Verkaufsverbote“. Die zuvor für Laborbedingungen bestimmten Grenzwerte müssten auch auf der Straße gelten.

Auch die Bundestagsfraktion der Linken und die grüne Europafraktion begrüßten die Entscheidung. „Das Urteil nimmt den Automobilunternehmen die Lizenz zum Verschmutzen“, sagte etwa die Klimaexpertin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms. (fpi)