Wo ist Flug MH370?

Fast fünf Jahre nach dem Vorfall ist das Verschwinden eines Flugzeugs von Malaysian Airlines immer noch ungeklärt. Eine neue Analyse von Funksignalen könnte jetzt die Absturzstelle verraten haben.

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Wo ist Flug MH370?

(Bild: "airplane" / sigmama / cc-by-2.0)

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Inhaltsverzeichnis

Am 8. März 2014 hob der Flug Malaysian Airlines MH370 vom Flughafen Kuala Lumpur ab, das planmäßige Ziel war Peking. Kurz nach dem Start fielen die Transponder und Kommunikationssysteme auf mysteriöse Weise aus und der Kontakt brach ab.

In zwei umfangreichen Suchaktionen, den teuersten in der Geschichte der Luftfahrt, ist es nicht gelungen, das Flugzeug in einem abgelegenen Teil des Indischen Ozeans zu finden, wo es zunächst vermutet wurde. Tatsächlich wurden verschiedene Teile der Maschine an weit entfernten Stränden angespült. Die Suche wurde im Januar 2017 eingestellt und soll erst wieder beginnen, wenn neue Informationen vorliegen.

Die könnte jetzt Martin Kristensen, Ingenieur an der Universität Aarhus in Dänemark geliefert haben: Ende 2018 veröffentlichte er eine neue Analyse der Daten vor dem Verschwinden der Maschine. Wie er sagt, spricht seine Analyse für einen vollkommen anderen Absturzort, in der Nähe der Weihnachtsinseln im Indischen Ozean.

Die grundlegenden Informationen über das Verschwinden des Flugzeugs sind weithin bekannt. Die Reise begann ganz normal – das Flugzeug folgte seiner geplanten Route nordöstlich Richtung Vietnam. Doch nach der letzten Sprachkommunikation mit der Bodenkontrolle wich es von der Route ab, drehte nach Westen und flog über Malaysia hinweg zurück und weiter über die Andamanensee. In dieser Zeit wurde es von malaysischem Militärradar erfasst, geriet aber später aus dessen Reichweite.

Anschließend kamen die einzigen Daten zu dem Flugzeug aus einem Gerät an Bord, das als Satelliten-Dateneinheit bezeichnet wird. Diese sendete zunächst eine „log on“-Anfrage, wahrscheinlich nachdem sie aus irgendeinem Grund neu gestartet war. Anschließend reagierte das System mit digitalen Handshakes automatisch auf stündliche Status-Abfragen vom Boden, die vom Cockpit nicht beantwortet wurden.

Diese digitalen Handshakes waren enorm wichtig, um herauszufinden, wohin die Maschine weiter flog. Die Signale wurden über einen Kommunikationssatelliten namens Inmarsat 3F1 übertragen, der sich geostationär über dem Meer befindet.

Ein wichtiger Hinweis für die Analyse war die Zeitdifferenz vom Absenden des Signals vom Flugzeug bis zum Empfang durch den Satelliten, denn auf ihrer Grundlage lässt sich die Entfernung zwischen beiden bestimmen. Dadurch kann man einen Kreis auf der Oberfläche der Erde definieren, dessen Zentrum der Satellit bildet. Zum jeweiligen Zeitpunkt muss sich das Flugzeug exakt irgendwo auf der Kreislinie befunden haben.

Insgesamt sendete es sieben digitale Handshakes. Mit den aus diesen Signalen abgeleiteten Distanzen können Forscher also sieben konzentrische Kreise zeichnen, die das Flugzeug auf seinem Weg gekreuzt haben muss.

Unbekannt ist allerdings, an welcher Stelle genau es jeden der Kreise durchkreuzte. Allein daraus lässt sich sein Flugweg nicht ableiten.

Jedoch enthalten die digitalen Handshakes noch ein weiteres Indiz: Durch die Bewegung des Flugzeugs relativ zum Satelliten entsteht eine Doppler-Verschiebung in der Frequenz der Funksignale. Und weil Inmarsat die präzise Frequenz der Signale aufgezeichnet hat, können Ingenieure die relative Geschwindigkeit von Satellit und Flugzeug berechnen.

Dies liefert weitere Informationen über die Bewegung des Flugzeugs, aber noch keine eindeutige Lösung. Denn die Doppler-Verschiebung zeigt lediglich die relative Bewegung von Flugzeug und Satellit aufeinander zu oder voneinander weg. Die Bahn des Satelliten ist bekannt, die des Flugzeugs aber kann andere senkrechte Komponenten beinhalten: Viele verschiedene Flugbahnen können sämtlich dieselbe Doppler-Verschiebung bewirken.

Karte mit der Hypothese des südöstlichen Flugs vom letzten Primärradar-Kontakt bis zum Absturz nahe der Weihnachtsinsel. Agegeben sind die möglichen Koordinaten des Flugzeugs zum Zeitpunkt der Handshakes.

(Bild: Martin Kristensen)

Für seine Analyse hat Kristensen ein mathematisches Modell mit all diesen Faktoren entwickelt, das vier Lösungen ausgibt. Jede davon ist ein potenzieller Standort für das Flugzeug, der zu allen vorliegenden Daten passen würde.

Zwei dieser Standorte befinden sich nördlich und über Land. Sie schließt Kristensen sofort aus – ein Flugzeug in dieser Region wäre von chinesischem oder indischem Militärradar erfasst worden. Zudem hätten angeschaltete Mobiltelefone von Passagieren versucht, sich bei Netzen am Boden anzumelden, aber dafür gibt es keine Anzeichen. Ebenso fanden sich in den Gebieten keine Trümmer von einem Absturz. Tatsächlich wurden Trümmer bislang nur im Meer gefunden, was stark dafür spricht, dass das Flugzeug auf Wasser aufsetzte.

Bei der dritten Lösung aus Kristensens Analyse handelt es sich um den Standort, an dem bereits intensiv gesucht wurde. Dort fanden sich keine Spuren eines Flugzeugs. Die letzte Lösung aber ist ein neuer Standort, den Suchteams bislang nicht näher berücksichtigt haben. Er befindet sich nahe an den Weihnachtsinseln im Indischen Ozean und ist viel kleiner als das bereits durchsuchte Gebiet.

Damit das Flugzeug hier abstürzen konnte, musste es irgendwo nördlich von Indonesien gewendet haben und dann südöstlich über den Indischen Ozean geflogen sein, ungefähr parallel zur Küste von Sumatra. Tatsächlich gab es einen Augenzeugen auf einem Fischerboot in der Region, der behauptet, das Flugzeug in jener Nacht gesehen zu haben, bei relativ niedriger Flughöhe.

Kristensens Analyse spricht dafür, dass das Flugzeug jetzt in einer elliptischen Region im Meer liegen müsste, etwa 140 Kilometer lang und 30 Kilometer breit. „Die Wahrscheinlichkeit dafür, es zu finden, liegt bei über 90 Prozent“, schreibt er.

Die Arbeit könnte die zusätzlichen Daten liefern, die benötigt werden, um die Suche fortzusetzen. Laut Kristensen passt der ermittelte Standort auch zu anderen Daten wie die aus der Untersuchung von Seepocken an gefundenen Trümmerteilen. Nach seinen Worten spricht dies dafür, dass das Flugzeug weiter nördlich abgestürzt ist, als ursprünglich gesucht wurde.

Auch ein wenig Futter für Verschwörungstheoretiker liefert Kristensen. Die Datenanalyse verrät nicht, wie hoch das Flugzeug in seinen letzten Stunden flog. Also gibt die Augenzeugen-Aussage, laut der es relativ niedrig flog, Rätsel auf.

Doch Kristensen hat eine Theorie dazu. Die einzigen plausiblen Erklärungen lauten für ihn, dass die Piloten in Banda Aceh auf Sumatra landen oder das Flugzeug per Fallschirm verlassen wollten – und „weil das Flugzeug nicht gelandet ist, bleibt als einzige Option der Fallschirmsprung.“ Dazu hätte die Maschine niedrig und relativ langsam fliegen müssen, wie es beobachtet wurde. Die Piloten müssten das Flugzeug dann darauf programmiert haben, nach ihrem Absprung wieder auf eine normale Flughöhe zurückzukehren.

Solche außergewöhnlichen Behauptungen erfordern natürlich außergewöhnliche Beweise, und davon gibt es bislang nicht viele. Doch wenn Kristensens Schlussfolgerungen dazu beitragen, das Flugzeug zu finden, wird er eines der größten Flugzeug-Mysterien aller Zeiten näher an eine Auflösung gebracht haben.

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