Gezerre um Schulhilfen des Bundes – Verfassungsänderung im Bundesrat

Die Länder sperren sich gegen eine Grundgesetzänderung unter anderem für die Schuldigitalisierung. Ein Milliardenprogramm liegt vorerst auf Eis.

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Gezerre um Schulhilfen des Bundes – Verfassungsänderung im Bundesrat

(Bild: dpa / Rolf Vennenbernd)

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  • dpa
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Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hat zu einem raschen Ende des Streits über die geplanten Finanzhilfen des Bundes für die Schulen in Deutschland aufgerufen. Unmittelbar vor einer entscheidenden Sitzung des Bundesrats an diesem Freitag in Berlin sagte Göring-Eckardt der dpa: "Es ist wichtig, dass der Vermittlungsausschuss sich rasch zusammensetzt und ein gemeinsames Ergebnis findet."

Göring-Eckardt sagte, sie sei fest davon überzeugt, dass ein rasches gemeinsames Ergebnis möglich sei. "Der Digitalpakt und wichtige Investitionen in Bildung dürfen nicht politisch verstolpert werden."

Hintergrund ist ein Gesetzentwurf, auf den sich Bundesregierung sowie FDP und Grüne im Bundestag geeinigt hatten. Demnach soll das Grundgesetz geändert werden, sodass der Bund die geplante Digitalisierung der Schulen finanziell fördern kann, obwohl er für Schulen nicht zuständig ist. Der Bund will den Ländern dafür in den kommenden fünf Jahren 5 Milliarden Euro überweisen. Der Bund soll auch Mitsprache bei Qualität und Personal der Schulen haben. Das wollen viele Länder nicht.

Die Koalition hatte mit FDP und Grüne darüber verhandelt, weil eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Grundgesetzänderung nötig ist. Den Ländern geht der Kompromiss zu weit: Sie wollen an diesem Freitag den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen. Länderzuständigkeiten bei Bildung wollen viele nicht abgeben. Der Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses braucht eine absolute Mehrheit von 35 der 69 Stimmen, die die Länder insgesamt im Bundesrat haben.

"Wir sind uns im Kreise der Ministerpräsidenten vollkommen einig, dass wir die Vorstellungen des Bundes nicht mittragen können. So geht es nicht", sagte Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff der dpa. "Natürlich sind wir aber an einer schnellen Lösung interessiert, damit der Koalitionsvertrag in dieser wichtigen Frage auch abgearbeitet werden und das vorgesehene Geld fließen kann." Mit Blick auf den Vermittlungsausschuss sagte Haseloff: "Wichtig ist, dass wir gleich Anfang des Jahres beginnen, damit das Haushaltsjahr 2019 noch genutzt wird."

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte der Thüringer Allgemeinen, die Länder wollten zwar den Digitalpakt und bräuchten das Geld, das darüber vom Bund fließen soll. "Doch einige Haushaltspolitiker im Bundestag haben sich ausgedacht, dass dafür das Grundgesetz weit über den Digitalpakt hinaus geändert werden muss – was Unfug ist." Die Regelung, wonach die Länder bei gemeinsamen Projekten mit dem Bund ab 2020 mindestens die Hälfte der Finanzierung beisteuern müssten, trifft seiner Meinung nach vor allem die finanzschwächeren Länder.

Wohl zehn Ministerpräsidenten wollen am Freitag im Bundesrat sprechen. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte der Rheinischen Post, sie hoffe auf eine vernünftige und zügige Einigung im Vermittlungsausschuss. "Der Digitalpakt Schule braucht eine solide verfassungsrechtliche Grundlage, die wir mit der Grundgesetzänderung von Artikel 104c schaffen wollen." Es müsse sichergestellt werden, "dass die 5 Milliarden Euro des Digitalpakts als neue, zusätzliche Mittel zu 100 Prozent in den Schulen ankommen".

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält den Digitalpakt auch ohne Grundgesetzänderung für umsetzbar. "Die sollen uns das Geld geben und wir verpflichten uns, das in diesem Bereich einzusetzen. Dann geht das ganz schnell über die Bühne", sagte er dem rbb. Den Vorbehalt, Gelder könnten im allgemeinen Länderhaushalt versickern, bezeichnete der Grüne als "Vollquatsch". Der Bund müsse Abstand davon nehmen, sich "durch die Hintertür Kompetenzen zu holen", sagte Kretschmann.

Der Bundeselternrat mahnte einen schnellen Kompromiss an. "Bund und Länder müssen sich schnell zusammenraufen und zu einer gemeinsamen Lösung kommen, um den Digitalpakt möglich zu machen", sagte dessen Vorsitzender Stephan Wassmuth dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Eltern und Schüler haben kein Verständnis dafür, wenn der Startschuss für die Digitalisierung in den Klassenräumen immer weiter nach hinten verschoben wird." (anw)