Wo es brennen wird

Weltweit arbeiten Wissenschaftler an Computersystemen, die berechnen, wie wahrscheinlich Kriege und andere bewaffnete Konflikte in der Zukunft sind. Kann das funktionieren?

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Wo es brennen wird

(Bild: Foto: Shutterstock)

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Als ob Kriege wie Unwetter wären: Computersysteme sollen künftig politische Krisen, bewaffnete Konflikte und Kriege vorhersagen wie heute Starkregen oder Stürme. Sowohl das Bundesverteidigungsministerium als auch das Auswärtige Amt arbeiten an entsprechenden Programmen. Was auf den ersten Blick reichlich skurril klingt, gehorcht der Logik des Big-Data-Zeitalters: Lernfähige Software sowie andere Methoden der künstlichen Intelligenz analysieren riesige Datenbestände und sollen in den Datenbergen Muster und Zusammenhänge erkennen, die menschliche Analysten vielleicht übersehen. Während das Außenministerium für sein „PreView“-Projekt ausschließlich öffentliche Daten verwenden will, hält das Verteidigungsministerium sich die Möglichkeit offen, auch als „Verschlusssachen eingestufte Quellen“ zu berücksichtigen.

Das geht zumindest aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken hervor. Viel mehr ist über die Projekte nicht bekannt. Stecken dahinter also finstere Absichten, wie Fragesteller Andrej Hunko vermutet? Er kritisiert die maschinelle Krisenanalyse, weil sie eingesetzt werden könne, um „Flüchtlinge abzuwehren, Interventionen vorzubereiten oder Kriege zu gewinnen“.

Weit gefehlt, sagt Carlo Masala von der Universität der Bundeswehr München. Er berät das Verteidigungsministerium bei seinem Krisenmodellierungsprojekt. Parallel baut er gemeinsam mit Kollegen ein „Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung“ auf, das für das Verteidigungsministerium, den BND, das Bundeskanzleramt oder das Auswärtige Amt arbeiten könnte. „Das Problem in der Vergangenheit war oft, dass Systeme zur Krisenfrüherkennung hauptsächlich von großen Unternehmen entwickelt wurden, die zwar vielleicht modelltechnisch sehr gut waren, aber wenig sozial- und politikwissenschaftlichen Hintergrund hatten“, sagt Masala. „Das soll sich mit dem neuen Zentrum ändern. Hier sollen Sozialwissenschaftler mit ITlern Hand in Hand arbeiten.“ Die Idee sei, mit einer Prognose für bis zu 18 Monate die „Awareness“ zu erhöhen und gegebenenfalls mit „nichtmilitärischen Mitteln“ eine Eskalation zu verhindern. „Es geht nicht darum, schon mal Streitkräfte dispositiv zu machen, sondern ressortübergreifend darüber nachzudenken, was man tun kann“, sagt Masala. Man wolle den Analysten nicht ersetzen, sondern ergänzen.

Eines ist dem Politologen besonders wichtig: „Ich wehre mich gegen die Formulierung, wir könnten Kriege vorhersagen.“ Diese Systeme sagen nicht, dass am 3. Dezember 2019 die Russische Föderation zwei Divisionen ins Baltikum schickt“, sagt Masala. „Das werden sie auch nie können. Aber sie können Informationen automatisiert auswerten und frühzeitig Hinweise auf krisenhafte Entwicklungen liefern, die in einer Konflikteskalation münden könnten.“ (wst)