Haftung bei Schäden am Arbeitsplatz: Wo gehobelt wird, passiert etwas

Mitarbeiter müssen nicht immer für die Schäden aufkommen, die sie am Arbeitsplatz anrichten. Die Höhe der Haftung hängt ab vom Grad ihrer Fahrlässigkeit.

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(Bild: motorradcbr / shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg

Das Zivilrecht kennt keine Gnade: Wer anderen einen Schaden zufügt, haftet dafür in vollem Umfang. "Haftung bedeutet, dass der Verursacher für den entstanden Schaden aufkommt", sagt die Rechtsanwältin Dr. Sandra Flämig, die zugleich Fachanwältin für Arbeitsrecht ist. Wo gehobelt wird, fallen Späne, und wo gearbeitet wird, passiert etwas.

Richtet ein Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber einen Schaden an, müsste er eigentlich dafür voll aufkommen, selbst wenn er in die Millionen geht. Tatsächlich muss er das nicht, das sogenannte Haftungsprivileg des Arbeitsrechts schützt ihn davor. "Würden Arbeitnehmer bei der Haftung von Schäden am Arbeitsplatz nicht privilegiert, würde die Wirtschaft stillstehen", mutmaßt Flämig. Denn kein Arbeitnehmer wäre bereit, ein so hohes Risiko zu seinen Lasten einzugehen.

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Das Haftungsprivileg stuft das Handeln des Mitarbeiters in vier Graden der Fahrlässigkeit ab. "Sinn ist es, den Arbeitnehmer vor Haftungsforderungen zu schützen, und falls er doch in die Pflicht genommen wird, den Betrag so gering wie möglich zu halten", begründet die Anwältin dieses Privileg.

Fallen für Fehler gibt es viele für Arbeitnehmer. Wenn etwa eine E-Mail mit vireninfiziertem Anhang geöffnet wird, obwohl das Unternehmen eindringlich vor solchen Aktionen gewarnt hat. Oder wenn eine teure Maschine in der Produktion vom Bediener beschädigt wird. Die Haftungsfrage für den Mitarbeiter stellt sich auch dann, wenn das Ergebnis seiner Arbeit im Einsatz beim Kunden Schäden anrichtet. Etwa eine Software, die Fehler hat und so die Produktion einer ganzen Fabrik lahm legt. In solch einem Fall kommen schon in kurzer Zeit Millionenschäden zusammen. Aber wie gesagt: Der Mitarbeiter ist überwiegend davor geschützt, mit einer Ausnahme: dem Vorsatz.

Der Reihe nach. Das Gesetz unterteilt die Haftung nach vier Graden. Bei leichter Fahrlässigkeit ist der Arbeitnehmer von der Haftung befreit. "Leichte Fahrlässigkeiten sind geringfügige und leicht entschuldbare Fehler, die auch dem sorgfältigsten Mitarbeiter unterlaufen können", erklärt Flämig. Wenn versehentlich etwas fallen gelassen wird, ein teures Teil in der Produktion etwa, dann tritt dieser Fall ein.

Wird ein Schaden durch mittlere Fahrlässigkeit verursacht, haften Arbeitnehmer und Arbeitgeber anteilig. Ein Indiz für mittlere Fahrlässigkeit ist der Gedanke oder die Aussage des Arbeitnehmer: "Ich hab es geahnt, dass das nicht gut geht." Er hat den Schaden quasi kommen sehen und dachte: "Wird schon gut gehen!" Tat es nicht. Bei der Ermittlung des Anteils der Haftungshöhe für den Arbeitnehmer werden die Versicherbarkeit des beschädigten Gegenstands, die Verdiensthöhe des Beschäftigten und sein bisheriges Verhalten berücksichtigt. Außerdem spielt es eine Rolle, ob der Arbeitgeber mitschuldig ist, weil er es vergessen hat, eine Versicherung abzuschließen.

"Was zumutbar versicherbar ist, muss der Arbeitgeber versichern", stellt Flämig klar. Tut er es nicht, wird er im Schadensfall so behandelt, als hätte er versichert gehabt. "Für die Maximalhöhe des vom Arbeitnehmer zu tragenden Schadens gibt es eine Tendenz in der Rechtsprechung: Haftungsobergrenze ist demnach bei mittlerer Fahrlässigkeit ein halbes Monatsgehalt", sagt die Arbeitsjuristin.

Handelt ein Arbeitnehmer bei seiner Arbeit grob fahrlässig, dann haftet er meist voll für den entstandenen Schaden. "Das muss doch jedem klar sein, dass das nicht gut gehen konnte", ist ein Anhaltspunkt für dies Art der Abstufung der Fahrlässigkeit. Es ist also ein Fehler entstanden, den jeder andere vermieden hätte durch richtiges Verhalten. Beispielsweise eine Maschine anschalten, die als defekt gekennzeichnet ist und repariert werden sollte. Durch das Einschalten wurde sie komplett zerstört, wie beim Fahren eines Autos der Motor ohne Öl.

"Es gibt für den Arbeitnehmer keine Haftungsobergrenze, aber es kann Haftungserleichterungen im Einzelfall geben", sagt Flämig. Das kann bei einem Mitarbeiter sein, der schon 20 Jahre in der Firma ist und stets zuverlässig und gewissenhaft seine Arbeit gemacht hat.

Führt Vorsatz eines Mitarbeiters zu einem Schaden, dann haftet er voll für dessen Folgen, wenn sich der Vorsatz sowohl auf die Pflichtwidrigkeit als auch auf den Schadenseintritt bezieht. Juristen sprechen dann von einem doppelten Vorsatz. Vorsatz bedeutet etwas ganz bewusst zu tun. Etwa eine Software für den Kundeneisatz so zu programmieren, dass sie Aussetzer hat. Wenn dann noch dazukommt, dass man mit diesen Aussetzern Maschinen beschädigen will, dann ist das ein doppelter Vorsatz mit der Konsequenz der unbegrenzten Haftung des Verursachers. In dem beschriebenen Fall kann das für ihn leicht der wirtschaftliche Ruin sein. (jk)