Systemintegration

Die Hardware-Nachrüstung kommt

Die Hersteller von Hardware-Nachrüstlösungen für Diesel-Autos können nun eine allgemeine Betriebserlaubnis beantragen. Hierzu wird auch „schnellstmöglich“ die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung angepasst

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  • Christoph M. Schwarzer
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Es sei „erbärmlich“, dass Volkswagen von der Hardware-Nachrüstung von Diesel-Pkw abrate. Axel Koblitz, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) kritisiert den Wolfsburger Konzern und unterstellt, die Argumente wären vorgeschoben. Schließlich sei der Einbau von Abgasnachbehandlungen seit langer Zeit üblich, wie Katalysator und Partikelfilter zeigten.

Es geht los

Auslöser für die Warnung von Volkswagen vor einer Hardware-Nachrüstung war das Bundesverkehrsministerium (BMVI): Kurz vor Jahreswechsel wurden die technischen Vorschriften veröffentlicht. Das ist bedeutend, denn bisher hatte die Verzögerungstaktik von Bundesverkehrsminister Scheuers Vorgänger Dobrindt (beide CSU) verhindert, dass Nachrüstungen überhaupt genehmigt wurden. Jetzt aber ist der gesetzliche Rahmen klar – es geht los.

Die Hersteller von Hardware-Nachrüstlösungen für Autos mit Dieselmotor können nun eine allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) beim Kraftfahrtbundesamt (KBA) beantragen. Hierzu wird auch „schnellstmöglich“, so das BMVI, die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) angepasst.

Conformity Factor

Um Fahrverboten wie zum Beispiel in Stuttgart oder Köln zu entgehen, muss für umgerüstete Diesel-Pkw nachgewiesen werden, dass der Stickoxidausstoß unter 270 mg pro Kilometer sinkt. Dieser Wert muss im realen Straßenbetrieb bei einer Real Driving Emissions-Messung (RDE) unterboten werden. Zur Einordnung: Der Laborgrenzwert für Euro 4-Diesel lag bei 250 mg / km und für Euro 5 bei 180 mg / km.

Mit Einführung der Euro 6-Norm sank der Grenzwert auf 80 mg / km; dieser darf im RDE-Test jedoch bis zur Erstzulassung 2021 um den Faktor 2,1 und danach noch um das 1,5-Fache überschritten werden („Conformity Factor“). Diese Werte sind übrigens umstritten: Erst Ende 2018 war entschieden worden, dass die EU-Kommission sie nicht hätte festlegen dürfen. Gegen die Lockerung der Grenzwerte geklagt hatten Paris, Brüssel und Madrid mit dem gemeinsamen Ziel, den Conformity Factor mindestens zu verkleinern.

Positivliste mit Kennzeichenerfassung

Wahrscheinlich bekommen die verbesserten Bestandsdiesel formal keine neue Abgasnorm zugeschrieben. Eine Umschlüsselung erfolgt nicht. Stattdessen gibt es verschiedene Ansätze, wie ihre Halter sie für eine Fahrverbotszone legitimieren können. Grundsätzlich wird die Änderung in die so genannte Zulassungsbescheinigung I eingetragen, also in den Fahrzeugschein. Zusätzlich wird die umstrittene Kennzeichenerfassung diskutiert. Wer seinen Diesel umgerüstet hat, könnte auf einer Positivliste erscheinen, automatisch identifiziert werden und sanktionsfrei bleiben. Einen finalen Beschluss gibt es allerdings noch nicht. Eine sogenannte Blaue Plakette zur Kennzeichnung einfahrtsberechtigter Fahrzeuge, wie sie von den Regierungen der Länder vorgeschlagen wird, lehnt die Bundesregierung weiterhin ab.