Dünner Strohhalm

Die Kieler Stadtverwaltung will die dreckige Luft in der Stadt mit großen Staubsaugern reinigen lassen. Dabei wäre die Lösung des Problems doch viel einfacher.

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Die Angst geht um in deutschen Rathausstuben. Angst vor der Unvermeidlichkeit von Fahrverboten, Angst vor dem Aufstand der City-Händler, dem Zorn der Dieselfahrer und der Bedeutungslosigkeit nach der dann unvermeidbaren Wahlniederlage. Also ist die Verzweiflung groß.

So groß, dass die Verwaltung in Kiel jetzt eine mobile Absauganlage testen will. Die Luftsauger der Firma Purevento sollen an besonders stark belasteten Straßen Luft ansaugen, Feinstaub und Stickoxide herausfiltern und auf der anderen Seite gereinigt wieder herausblasen.

Mit besonders vielen technischen Details überschüttet Purevento den Wissbegierigen auf seiner Website allerdings nicht gerade. Nur soviel: Modell E ist vollkommen autark, weil das Modul seine Energie durch Solarmodule beziehungsweise durch eine eingebaute Methanol-Brennstoffzelle bezieht. Das Kiste soll bis zu 15.000 Kubikmeter Luft pro Stunde reinigen können. Das klingt beeindruckend. Umgerechnet auf Volumen pro Sekunde sind das nur noch rund 4 Kubikmeter oder 4000 Liter pro Sekunde - ein guter Industriestaubsauger schafft rund 60 Liter pro Sekunde.

Ich vermute mal, die Filtersystem, die Purevento erwähnt, dürften so ähnlich funktionieren, wie die in Straßentunneln. Dort wird Feinstaub mit elektrostatisch geladenen Filtern gefangen, die dann ausgewaschen werden. Die so gereinigte Luft wird dann über Aktivkohlefilter geleitet, die bis zu 90 Prozent der Stickoxide binden sollen. Bleiben nur zwei Probleme: Die Entsorgung der dreckigen Filter und der Energiebedarf der Anlage. Ob sich solch ein Luftreiniger nur mit ein paar Solarpaneelen betreiben lässt, möchte ich zumindest stark bezweifeln.

Natürlich sind die Macher von Purevento nicht die ersten, die auf solch eine Idee gekommen sind: Der niederländische Künstler Dan Roosengarde hat mit dem Smog Free Tower bereits 2015 einen Luftreiniger gebaut. Das sieben Meter hohe Metallobjekt wird elektrisch geladen und zieht auf diese Weise Staub an. Wie gut das wirklich funktioniert ist allerdings nie gemessen worden.

Die niederländische Envinity Gruppe hat 2016 einen riesigen Staubsauger für den Kampf gegen die Luftverschmutzung angekündigt. Bis auf die Website ist allerdings aus dem Projekt nichts entstanden.

Und im chinesischen Xian ensteht ein rund hundert Meter hoher Turm, der auf einem großen Glashaus sitzt. Die durch das Glashaus erwärmte Luft strömt durch den Kamin nach oben, und soll dabei diverse Filter passieren. Erste Ergebnisse sollen positiv sein, aber unabhängige Veröffentlichungen zum dem Projekt liegen nicht vor.

All diesen Versuchen gemeinsam ist aber, dass sie das Pferd vom falschen Ende her aufzäumen. Es sind End-of-Pipe-Lösungen, die das Kind wiederbeleben sollen, wenn es in den Brunnen gefallen ist. Dabei wäre es sinnvoller - und einfacher - die Ursachen zu bekämpfen. Weniger Autoverkehr in den Städten macht weniger dreckige Luft, die nicht aufwendig gereinigt werden muss. Politik kann manchmal ganz einfach sein.

(wst)