China erlaubt nach langem Zögern genveränderte Pflanzen
Chinas Regierung erlässt Regeln für das Gene Editing an Nutzpflanzen. Damit wird ein Hin und Her beendet, die Ernährung des Volks soll so gesichert werden.
(Bild: Johannes Plenio / Unsplash)
- Michael Radunski
- Jennifer Lepies
Nun also doch: China veröffentlicht Regeln und Vorschriften für die Studien, bei denen es um die Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen geht. Damit gibt die Volksrepublik dem Weg des sogenannten Gene Editing beim Anbau von Nutzpflanzen eine abgesicherte Richtung. Auf diese Weise soll die Ernährung ihrer Bürgerinnen und Bürger Chinas sichergestellt werden.
China hat 1,4 Milliarden Einwohner, 20 Prozent der weltweiten Bevölkerung. Allerdings verfügt das Land nur über sieben Prozent der globalen Agrarnutzfläche. Immer wieder kam es in der Geschichte des Landes zu schweren Hungersnöten.
Laut einem Reuters-Bericht gab das Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Angelegenheiten die neuen Richtlinien am Montag bekannt. Sie gehören zu einer Reihe an Maßnahmen, die das Ziel haben, Chinas Saatgutindustrie zu überarbeiten. Denn gerade diese gilt als ein wunder Punkt bei der Grundlebensmittelversorgung der chinesischen Bevölkerung.
Zuerst Euphorie in China über genveränderte Pflanzen
Mit dieser nun klaren Richtung für Neuerungen und Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen machen die Machthaber in Peking einem munteren Hin und Her in der Vergangenheit ein Ende. So war China einst im Bereich der genveränderten Nahrungsmittel führend. 1992 erlaubte es als erstes Land der Welt den kommerziellen Anbau einer genmanipulierten Nutzpflanze, einer virusresistenten Tabaksorte. Die Euphorie war groß. Bis 2010 wollte man Reis, Weizen und Mais mehrheitlich aus genmanipulierten Erbstämmen anpflanzen.
Doch Mitte der 2000er-Jahre kippte die Stimmung. Zahlreiche Lebensmittelskandale erschütterten das Land und sorgten innerhalb der Bevölkerung für große Aufregung. Mal ging es um vergiftetes Milchpulver, mal um verunreinigte Öle und Fette. Zwar stand keiner dieser Vorfälle in direktem Zusammenhang mit genveränderten Nahrungsmitteln, doch innerhalb der chinesischen Bevölkerung herrschte fortan eine Atmosphäre des Misstrauens. In diese Atmosphäre hinein platzen immer wieder Meldungen, die die Ablehnung gegenüber genetisch veränderten Lebensmitteln verstärken.
"In den vergangenen Jahren sind Chinas führende Wissenschaftler, Forschungsinstitutionen der Medizin- und Militärmedizin zu dem Schluss gekommen, dass genmodifizierte Sojabohnen nicht sicher sind. Wir sollten achtsam sein", sagte der Vizevorsitzende der Sojabohnen-Vereinigung im Jahr 2019 der staatlichen Zeitung "Heilongjiang Daily".
"Die Mehrheit der Chinesen glaubt, genveränderte Nahrungsmittel seien gesundheitsgefährdend", erklärt Even Pay vom Pekinger Thinktank China Policy im selben Jahr. Eine Umfrage des renommierten Wissenschaftsmagazins "Nature" vom Juni 2018 zeigt, dass lediglich zwölf Prozent der Chinesen positiv auf genetisch veränderte Lebensmittel blicken. Die große Mehrheit hingegen ist zögerlich bis ablehnend. 14 Prozent sehen in der neuen Technologie sogar eine Art Bio-Terrorismus gegen China.
Gentechnik lediglich bei Papaya und Baumwolle
Lange befand sich Chinas Regierung also in einer Zwickmühle zwischen staatlicher Unterstützung und gesellschaftlicher Ablehnung. Einerseits förderten die Behörden Forschung und weiträumige Testgebiete für genmanipulierte Nutzpflanzen großzügig. "Chinas Forscher gehören zu den besten der Welt", erklärt Agrarexpertin Pay. Andererseits ist der kommerzielle Anbau genmanipulierter Pflanzen fast komplett verboten, lediglich für Baumwolle und Papaya gab es Ausnahmegenehmigungen.
Weil die Diskrepanz zwischen der wachsenden Bevölkerung und zu knappen Anbauflächen immer wieder zu Hungersnöten geführt hat, hatte Chinas Regierung bis dato einen kuriosen Mittelweg für die Lebensmittelversorgung gewählt: den massenhaften Import genveränderter Nutzpflanzen, von Getreide und Rüben bis Rote Bete und Soja. Kein anderes Land kaufte so viel genveränderte Sojabohnen wie China, vor allem aus den USA.
Doch diese Abhängigkeit von Importen soll offenbar beendet werden. Mit den neuen Regulierungen und Richtlinien nimmt China die Sache mit den genveränderten Nahrungsmitteln lieber selbst in die Hand.
(jle)