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Was war. Was wird. Vom Heft des Handelns und anderen Hindernissen

Theresa May düst im WK2-Jagdflieger zur EU. Eine alte Rüstungsdebatte in Europa wird wiederbelebt. Und Deutschland kommt im Cyberraum voran, seufzt Hal Faber.

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Was war. Was wird. Vom Heft des Handelns und anderen Hindernissen

Spitfire-Jagdflieger, die sich in der Luftschlacht um England der deutschen Luftwaffe entgegenstellten. Damals hatte Großbritannien noch wirklich Macht – und vielleicht deshalb ließ die BBC May mit so einer Bebilderung zur EU nach Brüssel fliegen. Rule, Britannia!

(Bild: pixabay.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

(Bild: Luftwaffe/Francis Hildemann)

*** Es war etwas ungeschickt bebildert, hatte aber durchaus seinen Reiz. Denn die Spitfire-Jagdflieger, die in der Luftschlacht um England sich im Film so wunderbar elegant der deutschen Luftwaffe entgegenstellten, kündeten von einer Zeit, als Großbritannien wirklich Macht hatte. So die Ankündigung zu bebildern, dass May zur EU nach Brüssel fliegt, das ist doch ein hübscher Freudscher Verfilmer, für den man der BBC danken muss. Denn natürlich sind in den Augen der Brexit-Befürworter die Krauts hinter dem Teufels-Backstop, den es irgendwie mit "modernster Technologie" zu verhindern gilt. Irgendwas mit Gesichtserkennung, KFZ-Zeichenerkennung, RFID-Tragepflicht und -erkennung, Künstlicher Intelligenz und Absicherung durch eine Tollchain müsste es doch geben, damit Britannia wieder die Wellen und Waren beherrschen kann, wie damals, als es auf Geheiß des Himmels aus der azurblauen See entstieg. Oder wie wäre es mit Drohnen-Patrouillen in Spitfire-Optik? Auf der Gegenseite in Irland fliegt dann vielleicht eine Maschine aus der Red Baron-Staffel.

*** Unter den Wellen fahren die britischen und französische U-Boote mit ihren Atomraketen. Bekanntlich hat Theresa May angedroht, ihre Boote im Fall eines "harten" Brexit eben nicht zum Schutz von Rest-Europa einzusetzen. Auch so kann man zurück in der Zeit gehen, in diesem Fall zur großen Debatte um den NATO-Doppelbeschluss vor 40 Jahren und dem 1987 geschlossenen INF-Abrüstungsvertrag zwischen den USA und der Sowjetunion. Denn mit dem Ausstieg aus dem INF-Vertrag durch die USA und Russland droht die Neuauflage einer Rüstungsdebatte mit vielen Unterpunkten. Dazu gehört, das anders als früher sich Russland wie die USA keinen Deut um Europa scheren, wie hier empört bemerkt wird. Aber wozu gibt es die NATO. Genau, um ein Statement zu veröffentlichen, das die Sicht der USA allerstärkstens unterstützt und Russland verantwortlich macht für Schritte, die zur Aufkündigung des Vertrages führten.

*** Die Geschichte lehrt uns, dass sie nichts lehrt, weil niemand sich die Mühe macht, Geschichte zu lernen. Das gilt für die Brexit-Befürworter, die zugeben, das Karfreitagsabkommen niemals gelesen zu haben, weil es viel zu lang sein soll (35 Seiten). Das gilt aber auch für deutsche Innenminister, die zur Begründung für ihre neuen umfassenden Polizeigesetze die RAF-Geschichte neu erzählen. "Die RAF griff früher zum Telefon, der Terrorist von heute nutzt WhatsApp und Co.", argumentierte Innenminister Lorenz Caffier, um den Einsatz der "Quellen-TKÜ" und der Online-Durchsuchung zu rechtfertigen. Die scheinbare Analogie wäre das Abhören der Telefone zu RAF-Zeiten mit Abgreifen von WhatsApp-Fetzen vor der Verschlüsselung auf Sender- oder nach der Entschlüsselung auf Empfängerseite. Das hakt etwas, weil von den Telefonaten der RAF nur die überwacht wurden, die im Festnetz etwa von der Botschaft in Stockholm geführt wurde. Auch bei WhatsApp gibt es Fragezeichen und Hinweise, dass Terroristen über Online-Spielewelten kommunizieren könnten. Doch egal, das neue Polizeigesetz muss begründet werden. Es gibt sogar Selbstlob: "Im Gegensatz zu Polizeigesetzen anderer Länder finden sich die dort vielfach kritisierten Regelungen zum Einsatz automatisierter Gesichtserkennung im öffentlichen Raum oder die Erweiterung der Dauer des polizeilichen Gewahrsams nicht im Gesetzentwurf. Ebenso wird das SOG M-V keine neue Gefahrenkategorie wie eine solche der „drohenden Gefahr“ erhalten." Da scheint ein beteiligter Jurist mal nachgedacht zu haben. Und was die Kameraüberwachung anbelangt, so hat der Datenschützer von Meckpomm mal mitgeprüft.

*** Apropos Gesichtserkennung: In diesem Artikel hinter einer Paywall schildert der langjährige China-Korrespondent Kai Strittmatter seine letzten Taten vor dem Abschied aus China, dem Land, das mit einem Bein auf Marx steht, mit dem anderen auf Orwell. Von der berühmten Toilette mit Gesichtserkennung schreibt Strittmatter, dass sie auf sein Gesicht nicht reagierte und es kein Toilettenpapier gab. Vom staatlichen "Himmelsnetz" der landesweit angebrachten Überwachungskameras heißt es, dass das System in der Lage sei, jeden der 1,4 Milliarden Chinesen innerhalb von einer Sekunde zu identifizieren. Wie gut hat es da der freie WestenTM, dem solche Überwachungsphantasien völlig abhold sind und allein die Aussicht auf satte Profite die Entwicklung von Microsoft oder Amazon bestimmt.

Nach dem merkwürdigen Ändere-Dein-Passwort-Tag kommt der Sichereres-Internet-Tag, an dem wir alle für ein besseres Internet zusammenstehen. Während bei den Erwachsenen das Thema riskantes Konsumverhalten sensibel angesprochen wird, hiphopprappen Eko Fresh und Afrob mit den Kids und propagieren den neuesten heißen Scheiß unter #lauteralshass. Ja, rettet unsere Lautis für die Demos gegen die Braungetupften, das ist auch für ältere Jahrgänge wie dem Ausschuss für Medienkompetenz ganz fotogen. Höhepunkt ist sicher der Podrap unserer Bundeskanzlerin, die zeigt, wie der Einzelne jederzeit das Heft des Handelns in der Hand behält, mit ganz einfachen Maßnahmen wie dem Verlassen von Facebook. Da hat unsere aktuelle Bundeskanzlerin mal vorbildlich das richtige Heft mit den Handlungsanweisungen in die Hand genommen.

Aber was wäre eine Regierung, die nicht tatkräftigst zupackt, da im Cyberraum und außen vor den Türen, die den Zutritt zu ihm öffnen: Her mit dem schönen neuen Gesetz (PDF-Datei), von unserer Bundeskanzlerin so angekündigt: "Wir werden das IT-Sicherheitsgesetz 2.0 demnächst im Kabinett verabschieden und wir haben auch eine Cybersicherheitsstrategie entwickelt, mit der wir auch auf Angriffe im Cyberbereich gut reagieren können. Aber das ist ein ständig laufender Prozess. Für die Nutzer wird es mit dem IT-Sicherheitsgesetz 2.0 die Möglichkeit geben, besser zu sehen durch ein einheitliches Kennzeichnen, welche IT-Ausrüstungsgegenstände auch nach Einordnung des BSI sicher sind." Auf die noch in diesem Jahr kommenden Kennzeichen für den Ausrüstungsgegenstand Router sind wir alle besonders gespannt. Vielleicht sind es Pünktchen im Fefe-Stil, wie sie dieser Tage auf dem 35C3 geklebt wurden. Gold für beste deutsche Technik von lancom, Rot für die mordsgefährliche Kisten von Huawei, die unsere feuchten Überwachungsträume von 5G gefährden. (bme)