Die beseelte Maschine

Was ist die Seele? Dietrich Dörner erkundete in seinem Klassiker "Bauplan für eine Seele" diese Frage und gab viele Steilvorlagen für die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 2 Min.

Um sein Konzept einer Seele zu erklären, beginnt Dietrich Dörner mit einem Gedankenspiel. Wie müsste eine Dampfmaschine beschaffen sein, um eigenständig zu überleben? Zunächst einmal müsste sie den Nachschub an Wasser und Brennstoff sicherstellen. Dazu bräuchte sie unter anderem so etwas wie Sinnesorgane und Bedürfnisse. Von diesen basalen Funktionen tastet sich Dörner zu Sprache, Bewusstsein, Liebe, Moral und Religion vor und erklärt sie mit Regelkreisen, Flussdiagrammen und Verschaltungen bis auf die Ebene einzelner Neuronen. Mitunter wird er dabei sehr detailverliebt, aber das kompensiert er durch eine launige Schreibe fernab jedes akademischen Jargons.

Als Psychologe wollte Dörner den Anspruch seines Fachs ernst nehmen, die geistigen Prozesse des Menschen wissenschaftlich zu erklären: „Es war nicht Zweck dieses Buches, eine beseelte Dampfmaschine zu bauen, sondern zu zeigen, dass Seelenprozesse als Mechanismen einer gar nicht so fürchterlich komplizierten Maschinerie der Informationsverarbeitung verstanden werden können.“ Damit richtet er sich gegen die Gedankenschule des US-Philosophen John Searle, die Computer mit Bewusstsein prinzipiell für unmöglich hält.

Einen Bauplan für eine künstliche Intelligenz hatte Dörner mit dem Buch nicht im Sinn. Trotzdem dürfte das Buch auch für KI-Forscher interessant sein, denn es legt beispielsweise dar, warum Gefühle für autonome Maschinen sinnvoll sind.

Leider bewegte sich Dörner stets in seiner eigenen, theoretischen Welt. Gern würde man mehr darüber erfahren, ob die postulierten neuronalen Verknüpfungen tatsächlich in realen Gehirnen nachgewiesen wurden. Oder wie sich seine beseelten Dampfmaschinen, in Software gegossen, in einer virtuellen Umgebung bewähren würden. Solche Brücken zur Empirie schlägt er allerdings selten.

Dabei hatte Dörner schon früh damit begonnen, seine Thesen per Software zu überprüfen. An seinem Lehrstuhl in Bamberg entwickelte er unter anderem eine Software-Version seiner Dampfmaschinen, die Nutzer herunterladen und ausprobieren konnten.

Heute führt der entsprechende Link allerdings ins Leere, und das gesamte Projekt wurde seit Dörners Emeritierung 2005 offenbar nicht weitergeführt. So ist das Buch wohl das einzige Überbleibsel des ambitionierten Projekts.

Dietrich Dörner: „Bauplan für eine Seele“, 2001, Rowohlt, 832 Seiten, antiquarisch

(anwe)