Leben im All: "Reine Zerstörung wäre ethisch nicht zu verantworten"

Wenn der Mensch auf außerirdische Organismen stößt, wie sollte er mit ihnen umgehen? Der Physiker Claudius Gros beschäftigt sich mit der Frage.

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Leben im All: "Reine Zerstörung wäre ethisch nicht zu verantworten"

Blick in den Deep Space.

(Bild: NASA)

Lesezeit: 3 Min.

Gros lehrt und forscht an der Universität Frankfurt. Hauptsächlich beschäftigt er sich mit komplexen Systemen – hat aber auch mehrere Aufsätze zur Machbarkeit interstellarer Raumfahrtmissionen veröffentlicht.

TR: Sie haben einen Aufsatz über die Frage geschrieben, ob Missionen zu Planeten außerhalb des Sonnensystems dort vorhandenes Leben besonders schützen müssten. Ist das nicht eine arg hypothetische Frage?

Gros: So hypothetisch ist das alles gar nicht. Wir wissen mittlerweile von etwa 3000 Exoplaneten, und es sieht so aus, als ob viele davon potenziell Leben tragen könnten. Und eine der Hauptmotivationen ist natürlich, dass wir wissen wollen, ob dort Leben existiert oder nicht.

Das wird aber aus der Ferne kaum möglich sein.

Wir sind zwar immer noch weit davon entfernt, Sonden zu anderen Sternen zu schicken, aber das ist keine Science-Fiction mehr. Die Breakthrough-Initiative in Santa Barbara will kleine Sonden mit Lasern nach Alpha Centauri senden.

Wenn es dort Leben geben könnte, worauf müsste man dann bei solchen Missionen achten?

Das ist eine schwierige Frage. Für unser Sonnensystem gibt es dazu klare Richtlinien: Nach den internationalen COSPAR-Vereinbarungen müssen Raumfahrtmissionen darauf achten, dass sie Spuren von eventuell vorhandenem Leben – wie auf dem Jupitermond Europa oder von vergangenen Lebensformen, etwa auf dem Mars – nicht verunreinigen, sodass sie der Wissenschaft erhalten bleiben.

Aber das ist umstritten?

Ja, es gibt zum Mars eine spannende Diskussion in der Community. Der Mars-Rover Curiosity fährt nämlich absichtlich nicht zu den interessantesten Stellen, weil der Arm vor dem Start nicht voll desinfiziert worden ist – und er dort Bakterien hinterlassen würde. Und es gibt Leute, die argumentieren, es wäre total irrsinnig, jetzt auf kleine Kontaminationen zu achten, wenn in 20 oder 30 Jahren vielleicht Touristen auf dem Mars herumlaufen.

Und was bedeutet das nun für mögliche interstellare Missionen?

Das Kriterium für Missionen im Sonnensystem greift hier nicht. Eine Sonde zu Exoplaneten zu schicken wird einige Tausend Jahre dauern. Über diesen großen Zeitraum kann ich aber keinen Nutzen für die Wissenschaft definieren.

Aber die anderen Lebensformen könnten doch einen Wert an sich haben, oder? So eine Art Recht, sich weiterzuentwickeln.

Das ist eine Frage von Abschätzungen. Reine Zerstörung wäre ethisch natürlich nicht zu verantworten. Aber die Sache ist ja komplizierter.

Warum?

Wenn es auf einem Exoplaneten Leben gibt, ist die Frage, welches Entwicklungsniveau das hat.

Sind das Prokaryoten – oder Eukaryoten, die sich zu komplexerem Leben entwickeln könnten? Eukaryotische Bakterien zu bilden war eine große Herausforderung für die Evolution. Das hat rund zwei Milliarden Jahre gedauert. Die Chance, dass sich höheres Leben entwickelt, ist also sehr klein.

Wenn wir zu einem Planeten, auf dem es nur primitive prokaryotische Bakterien gibt, Bakterien von der Erde bringen, erhöhen wir die Chance, dass sich dort komplexes Leben entwickelt, gewaltig. Das wäre die Sache also wert.

(wst)