Versprechen und Drohungen: Facebooks Lobby-Schlacht gegen die DSGVO

Interne Facebook-Dokumente zeigen, wie der Plattformbetreiber etwa mithilfe des irischen Ex-Präsidenten Enda Kenny gegen die Gesetzesinitiative vorging.

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Facebook hat während der Phase der intensivsten gesetzgeberischen Debatten um die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) mit aller Macht Einfluss auf das Regelwerk nehmen wollen. Insbesondere 2013 hat das Unternehmen mit süßen Versprechungen und harten Drohungen rund um Investments versucht, den als "zu restriktiv" empfundenen Gesetzentwurf abzuschwächen. Dies zeigen interne Dokumente des US-Konzerns, über die der Guardian und Computer Weekly am Wochenende berichteten.

Der frühere irische Premierminister Enda Kenny soll demnach zugesagt haben, seinen "bedeutsamen Einfluss" über die Ratspräsidentschaft zu nutzen, um die im Raum stehende Verordnung im Sinne Facebooks abzuschwächen. Irland hatte den Vorsitz im EU-Ministerrat während der ersten Jahreshälfte 2013 inne. Zu dieser Zeit hatte der Berichterstatter des Europäischen Parlaments, der Grüne Jan Philipp Albrecht, gerade seinen Vorschlag für die Position der Volksvertreter zu dem Dossier präsentiert.

Das Zugeständnis des konservativen Politikers von der Insel wertete Facebook damals als außerordentlich, da eigentlich vorgesehen sei, dass "Irland technisch gesehen in einer neutralen Rolle bleiben sollte". Der versprochene Einsatz Kennys sei der "großartigen Beziehung" zu verdanken, die man zu dem Iren aufgebaut habe. Diese beruht vor allem darauf, dass der Betreiber des sozialen Netzwerks sein europäisches Hauptquartier in Dublin angesiedelt hat.

Facebook wertete den Plan für die DSGVO damals als "Bedrohung für Arbeitsplätze, Innovation und das wirtschaftliche Wachstum in Europa". Der Konzern zeigte sich daher sehr erfreut darüber, dass Irland in der "entscheidenden" Phase der Gesetzgebung die Ratsspitze innehabe und damit die Gelegenheit bestehe, wichtige Entscheidungen rund um das Vorhaben zu beeinflussen. Kenny habe zugesagt, ein "positives Ergebnis" zu erzielen.

Für den Cambridge-Forscher John Naughton sind die "explosiven" Enthüllungen ein weiteres Zeichen dafür, dass Irland zu einem "Vasall" der großen Tech-Konzerne verkommen sei. Führende Politiker der Republik hätten sich nach dem Zuzug der US-Riesen offenbar als "verdeckte Lobbyisten für ein Datenmonster" gesehen, sagte Naightion dem Guardian zu den Facebook-Aktionen.

Eine Untersuchung des irischen Independent hatte schon 2017 ergeben, dass Facebook-Managerin Sheryl Sandberg Kenny kurz nach einem Treffen 2014 auf dem World Economic Forum warnte, dass weitere Änderungen bei europäischen Datenschutz- und Steuergesetzen den Konzern dazu bringen könnten, "andere Optionen für künftige Investitionen und Wachstum in Europa" zu erwägen. Zugleich lobte sie den Konservativen für seine "Führungskraft" während der Ratspräsidentschaft. Rund um die DSGVO "haben Sie und Ihre Mitarbeiter wirklich unsere Bedenken übernommen und auf vernünftige Weise dargelegt".

Sandberg zeigte sich demnach auch besorgt, für den scheidenden irischen Datenschutzbeauftragten Billy Hawkes einen passenden Ersatz zu finden. Dieser hatte es unter anderem abgelehnt, eine Beschwerde des österreichischen Bürgerrechtlers Max Schrems zu untersuchen, dass durch den Datentransfer von Facebook in die USA die Abhörtätigkeiten der NSA erleichtert würden.

Laut der DSGVO ist die irische Datenschutzbehörde federführend, wenn es um die Kontrolle des sozialen Netzwerks und die Durchsetzung der Bestimmungen rund um die Privatsphäre der Nutzer geht. Die neue Amtschefin Helen Dixon betont immer wieder, dass durch die Bank die Ressourcen der Einrichtung erhöht sowie mehr Mitarbeiter eingestellt und geschult worden seien. Aktuell führt die Behörde sieben Verfahren gegen Facebook.

Die neuen Interna stammen aus Dokumenten, die das britische Parlament im Rahmen der Aufklärung des Skandals um die Kalifornier und die Datenanalysefirma Cambridge Analytica vom Software-Entwickler Six4Three beschlagnahmen ließ. Es handelt sich etwa um Memos aus der Feder von Marne Levine, die damals als Facebooks "Außenministerin" und Lobby-Chefin fungierte und mittlerweile bei dem Konzern für globale Partnerschaften und die Geschäftsentwicklung zuständig ist.

Dem Fundus zufolge ermutigten die Kalifornier auch den einstigen britischen Schatzkanzler George Osborne, "noch aktiver und lautstärker" in der Diskussion um die DSGVO zu werden und die Vorschläge nachhaltig zu beeinflussen. Levine notierte laut "Computer Weekly", dass der Konservative um ein "ausführliches Briefing" gebeten und erklärt habe, sich stärker einbringen zu wollen. Im Gegenzug habe Facebook angeboten, Investitionen in eine "Tech City"-Region in London zu prüfen. Die Kinder Osbornes sollen zudem eingeladen worden sein, ein Büro des Unternehmens zu besuchen.

Der Ex-Politiker kann sich nach eigenen Angaben nicht mehr an eine solche Offerte. Er habe aber im Rahmen seiner Obliegenheiten einen Empfang in der britischen Regierungszentrale in der Downing Street für Sandbergs Buch "Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg" in die Wege geleitet.

Diesen Buchtitel wollte die Geschäftsführerin von Facebook auch nutzen, um eine engere Verbindung zur damaligen EU-Justizkommissarin Viviane Reding zu knüpfen. Die Luxemburgerin, die die Verordnung auf den Weg gebracht hatte, erwies sich aber laut einer Notiz als weitgehend immun für eine solche Charme-Offensive. Sie habe auf eine sehr "amerikanische" Debatte verwiesen, was Levine als "Rückschlag" wertete.

Der Lobby-Kampf um die Reform schaffte es mittlerweile sogar ins Kino, während die Industrie seitdem verstärkt die geplante E-Privacy-Verordnung in den Blick genommen hat und mit ähnlichen Kampagnen Schutzbestimmungen aufzuweichen sucht. Die jetzt publik gewordenen Dokumente verweisen zudem darauf, dass Facebook auch in zahlreichen Ländern wie den USA, Kanada, Indien, Vietnam, Argentinien, Brasilien oder Malaysia bestrebt war, als unangenehm empfundene einschlägige Gesetzesinitiativen auf Kurs zu bekommen. Der "Guardian" sieht darin eine "globale" Lobby-Schlacht des Konzerns gegen den Datenschutz. (tiw)