Kommentar: Nur 20 km/h auf E-Scootern – aus gutem Grund

Ohne Helm und Altersbeschränkung, aber bis zu 20 km/h schnell und mitten im Verkehr: Ziemlich flott für ein Brett mit Rädern, findet Mirko Dölle.

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Kommentar: Nur 20 km/h auf E-Scootern – aus gutem Grund

(Bild: Leika production/Shutterstock.com)

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Elektroroller sollen hierzulande künftig ohne Helmpflicht und Kennzeichen bis zu 20 km/h schnell fahren dürfen. So sieht es der der Entwurf von Bundesverkehrsminister Scheuer vor. Dass es nicht mehr sind, ist keine Überraschung, sondern angesichts der seit vielen Jahren bestehenden Gesetzeslage nur eine logische Folge: Denn oberhalb von 20 km/h besteht gemäß §21a StVO generell Helm- oder Gurtpflicht. Ausgenommen davon sind Fahrräder – eigentlich ein Anachronismus.

Ein Kommentar von Mirko Dölle

Mirko Dölle beschäftigt sich mit Linux, Embedded Systems, Programmierung und entwickelt c't Bankix, c't Surfix sowie Desinfec't.

Mein Kollege Jan-Keno Janssen fordert in seinem Kommentar, dass für E-Scooter sogar 25 km/h erlaubt sein sollten – ganz ohne Altersbeschränkungen und Helmpflicht. Etwas ähnliches gab es schon vor über 50 Jahren, nur mit Verbrennungs- statt Elektromotor: Mofas. Ein bauartbedingt maximal 25 km/h schnelles Fahrrad mit Hilfsmotor und Pedalen, in die man treten konnte, wenn einem der Sprit ausgegangen war oder man sich abends heimlich von zu Hause fort schleichen wollte.

Doch schon diese Mofas durfte man erst ab einem Alter von 15 Jahren benutzen, 1965 wurde zusätzlich eine Versicherungs- und Kennzeichenpflicht eingeführt. Seit 1981 darf man diese "rasanten" Gefährte sogar nur noch nach Besuch einer Fahrschule mit gültigem (!) Führerschein oder einer Mofa-Prüfbescheinigung bewegen – schließlich handelt es sich um ein Kraftfahrzeug. 1985 kam dann die Helmpflicht – nur ein Jahr, nachdem die Gurtpflicht auf allen Sitzplätzen in PKW eingeführt wurde.

Der Grund für Helm- und Gurtpflicht war der selbe: Zwar ist der Mensch grundsätzlich ein vernunftbegabtes Wesen – dummerweise ist er aber nicht zwangsläufig so vernünftig, sich im Auto grundsätzlich anzuschnallen oder auf Zweirädern generell einen Helm zu tragen. Die Bequemlichkeit war wichtiger als Sicherheit. Wer Parallelen zur Debatte um die Fahrradhelmpflicht sieht: diese sind nicht rein zufällig, sondern voll beabsichtigt.

Nachdem ab 1980 Helm- und Gurtpflicht für motorisierte Fahrzeuge durch endlose Kontrollen und Strafzettel durchgesetzt wurden, sank die Zahl der Verkehrstoten deutlich. Bis heute und trotz Airbags ist der Gurt bei PKW-Unfällen der Lebensretter Nr. 1 und Helme sind der beste Schutz vor Kopfverletzungen nach Zweiradstürzen. Durch diese und andere Maßnahmen sank die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland von über 13.000 im Jahr 1980 auf unter 8.000 im Jahr 1989 (Zahlen: Statistisches Bundesamt).

Wenn E-Scooter 25 km/h und Pedelecs ohne Kennzeichen und Helmpflicht sogar 30 km/h schnell sein dürften, weil der Gesetzgeber wieder mehr auf die Vernunft der Menschen vertraut, dann soll gefälligst gleiches Recht für alle gelten. Dann gehört die Führerschein-, Helm- und Kennzeichenpflicht auch für Mofas und Roller im gleichen Atemzug abgeschafft und die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h angehoben. Außerdem wären Radwege in generelle Zweiradwege bis 30 km/h umzuwidmen, schließlich fahren die Pedelecs und E-Scooter dort auch – es gibt dann keinen Grund mehr, warum Mofas und Roller nicht dort unterwegs sein sollten, sondern auf der Straße. An der Unfallzahlenstatistik wird sich ablesen lassen, wie vernünftig diese Maßnahmen waren.

Ein rein physikalisches Problem sehe ich trotz allem: Wie kann man auf einem E-Scooter bei 25 km/h eine Vollbremsung machen und dort einen ähnlich kurzen Bremsweg wie ein Pedelec oder Mofa hinbekommen, ohne vom Brett zu fliegen? Dieses Kunststück halte ich angesichts solch kleiner Räder und ohne Sattel, Pedale oder Fußrasten zum Abstützen schon bei 20 km/h für äußerst sportlich!

P.S.: Bei schönem Wetter fahre ich übrigens vorzugsweise Corvette, vereinzelt bis zu 250 km/h schnell, so lange das noch erlaubt ist. Wenn ich ausnahmsweise einmal mit meinem Fahrrad unterwegs bin, dann grundsätzlich mit Helm. (mid)