Das Internet und das Recht -- neue Regeln für ein neues Medium

Die von der Bundesjustizministerin befürwortete rechtliche Gleichsetzung von Offline- und Online-Welt gerät in die Kritik.

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Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin hat einen Lieblingsspruch, den sie in in fast jedem Interview und in so gut wie jeder Rede der Öffentlichkeit serviert: "Was offline verboten ist und verfolgt wird, muss auch online verboten sein und verfolgt werden." Mit dieser Gleichsetzung bezieht sich die SPD-Politikerin auf den Kampf gegen die "Flut krimineller Angebote" im Netz genauso wie auf die "Durchsetzung des Schutzes des geistigen Eigentums auch im Zeitalter des digitalen und globalen Internet". Doch so einfach ist die Sache nicht, wird die Kritik an der Haltung der Ministerin immer lauter. Kreativere Ansätze zur Netzregulierung seien gefragt.

So hält Detlef Eckert, Leiter der Grundsatzabteilung der Generaldirektion Informationsgesellschaft der Europäischen Kommission, die Formel "Offline = online" für einen "falschen Ansatz" und ein "Hindernis" auf dem Weg in die vernetzte Gesellschaft. "Das Internet hebelt die traditionellen Regulierungsmodelle aus", sagte der promovierte Volkswirtschaftler am gestrigen Freitag während einer Diskussionsrunde im Rahmen der Konferenz Internet Governance – Wer regiert das Internet? im Hause der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Viele Fragen der internationalen Rechtsprechung seien daher "nicht mehr mit Offline-Mitteln zu lösen."

Konkret führte Eckert am Beispiel Copyright die Probleme der Gleichmacherei aus. So gebe es das berechtigte Interesse der Gesellschaft, "einmal vorhandene Informationen möglichst breit zu streuen". Das führe schließlich zu einer größeren Produktivität. Im Internet lägen die Kosten für die Verbreitung von Information nun "bei Null". Daraus müssten sich "Überlegungen für einen freien Informationsraum" ergeben. Das Problem sei aber, dass die Offline-Welt die "übergeordnete Rechtsauffassung" kennt, der zufolge es Eigentum gibt. Die Frage, auf die auch die Kommission noch keine erschöpfende Antwort gefunden hat, sei nun, ob dieses Eigentum durch die Verbreitung von Informationen gefördert oder abgebremst wird. Der europäische ICANN-Direktor Andy Müller-Maguhn vertritt beispielsweise die These, dass sich digitale Werke durch das Kopieren immer nur vermehren und dass ein Diebstahl daher gar nicht möglich ist. Die Content-Industrien sehen die Sache natürlich ganz anders und schimpfen gegen die "Piraterie". Und sie haben, so Eckert, "im Augenblick das Recht auf ihrer Seite".

Dass sich in der Netzpolitik "nicht alles abfertigen lässt" mit der verlockenden Losung "Online gleich Offline" glaubt auch Peter Glotz, Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationsmanagement der Universität St. Gallen. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer der SPD hat zudem gravierende Defizite im Wissen um Netzangelegenheiten bei seinen ehemaligen Genossen ausgemacht. Ginge es nach Glotz, würden die meisten Parlamentarier erst einmal zum Nachsitzen gezwungen: "Die Entscheider müssen die Probleme rund ums Internet genauso gut kennen wie die berühmte Esther Dyson." (Stefan Krempl) / (jk)