ICANN: Whois-Daten sollen stärker abgespeckt werden

Thick Whois war gestern, jetzt soll Whois bald schlanker werden. Doch das passt Anwälten und Strafverfolgern gar nicht.

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ICANN: Whois-Daten sollen stärker abgespeckt werden
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Von
  • Monika Ermert

Kurz vor dem 64. ICANN-Treffen in Kobe hatte die mit der Novellierung der Whois-Datenhaltung für Domain-Inhaberdaten betraute Arbeitsgruppe EPDP WG einen Abschlussbericht mit insgesamt 29 Einzelempfehlungen zur Umstellung des alten Whois verabschiedet. Die Arbeitsgruppe geht in ihrem Bericht noch weiter als die ICANN-Spitze vor einem Jahr.

Die ICANN hatte im Mai 2018 unmittelbar vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) die Reißleine gezogen und die ihr vertraglich verpflichteten Registries und Registrare aufgefordert, private Domain-Inhaberdaten nicht mehr zu veröffentlichen. Man befürchtete hohe Bußgeldforderungen von Europas Datenschützern. Zugleich klagte ICANN gegen die Tucows-Tochter EPAG in Deutschland, weil sie, wie auch andere Registrare, unter anderem den Technical Contact (TechC) nicht mehr erheben wollten.

Der EPDP-Bericht folgt dieser Politik und stellt sich gegen den aktuellen ICANN-CEO Göran Marby. Einen Administrative Contact (AdminC) soll es künftig gar nicht mehr geben. Daten zum TechC sollen optional sein. Private Kontaktdaten des Domain-Inhabers werden von den Registraren aber nach wie vor erhoben. Doch sollen sie dort bleiben, wo sie erhoben wurden. Der bislang von ICANN erzwungene Transfer zur Registry findet nicht mehr statt.

Folgt der ICANN-Vorstand dieser Empfehlung – abgestimmt wird im April – bedeutet das das Ende der "Thick-Whois-Policy", die selbst lokale TLDs zum Hin- und Herschieben von persönlichen Daten ihrer Kunden verpflichtet hatte. Auch für die von ICANN obligatorisch verlangten Sicherungskopien der Registry-Daten muss nun eine Datenschutz-konforme Vertragsgestaltung gefunden werden.

Beim Verband der Internetwirtschaft eco ist man mit den neuen Vorschlägen recht zufrieden. Vor allem habe man, so eco-Anwalt Thomas Rickert, den eigentlichen Zweck der Verarbeitung der Domain-Inhaberdaten endlich klar gefasst – und damit den Weg für die Reduzierung auf das Notwendigste freigemacht.

Gegen das kräftige Whois-Abspecken gibt es allerdings nach wie vor heftigen Widerstand. Die Marken- und Urheberrechtsanwälte in der ICANN haben sich mit einem Sondervotum zu Wort gemeldet. Die Abschaffung des "dicken Whois" lehnen sie kategorisch ab und drängten in Kobe auch darauf, ganz rasch eine zentrale Zugangslösung zu Domain-Inhaberdaten zu schaffen, die von der Technical Study Group (TSG) der ICANN vorgestellt worden war. Unterstützt werden sie von Vertretern im Regierungsbeirat der ICANN und von Strafverfolgern. Ein Europol-Vertreter forderte die TSG auf, unbedingt auch eine Revers-Suche beim zentralen Zugriffssystem vorzusehen.

Elliot Noss, CEO des Registrarunternehmens Tucows, verwies demgegenüber auf die überschaubaren Zugriffszahlen. Seit Mai vergangenen Jahres gingen bei Tucows rund 2100 Anfragen ein. Davon entfielen nur 2 Prozent auf Strafverfolger, 92 dagegen kamen von Anwälten, die private Rechte durchsetzen wollten. Rund 70 Prozent der Anfragen verliefen im Sande, nachdem Tucows Details zu den geltend gemachten privatrechtlichen Ansprüchen abfragte. Bei dem kanadischen Unternehmen geht man – auch wegen der Häufung von Anfragen vor ICANN-Treffen – sogar von gezielten Täuschungsmanövern der Markenlobby aus. Ein so komplexes Zugriffs- und Autorisierungssystem wie jetzt von der TSG beschrieben, wäre ein völliger Overkill.

Die Grafik zeigt ein Ansteigen von Anfragen kurz vor ICANN-Treffen.

(Bild: OpenSRS)

Dass der Datenschutz nach wie vor nicht so viele Freunde in der ICANN hat, zeigte sich in Kobe erneut daran, dass Vertreter von Datenschutzbehörden bei den Debatten im Regierungsbeirat und im DSGVO-Plenum fehlten. Überaus einseitig nannten daher Vertreter der nichtkommerziellen Nutzer die Organisation und Moderation der Runden. (olb)