Rechnungs-Chaos bei Amazon

Ein neuer Amazon-Service verspricht kinderleichten Einkauf in den USA – ganz ohne Ärger mit Importgebühren, Steuern und Versand. Die Realität sieht anders aus.

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Rechnungs-Chaos bei Amazon
Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Georg Schnurer
Inhaltsverzeichnis

Angebote von Händlern mit Firmensitz jenseits der EU-Grenzen gibt es bei Amazon schon lange. Doch der Einkauf ist hier oft mit Fragezeichen verbunden: Klappt die Einfuhr in die EU? Wird der Zoll Steuern und Gebühren erheben? Und wenn ja, wie hoch werden diese ausfallen?

Wer hier auf Nummer sicher gehen will, dem bietet Amazon neuerdings ausgewählte Produkte aus den USA zum Festpreis an. In deren Kalkulation sind Steuern und Abgaben ebenso enthalten wie Versand- und Abfertigungsgebühren. Als Verkäufer agiert hier die Amazon Export Sales LLC mit Sitz in Seattle, USA, die unter dem Namen „Amazon Global Store US“ auftritt. Für Einkäufe gelten hier nicht die üblichen Geschäftsbedingungen von Amazon Europa (Amazon Services Europe S.a.r.L.), sondern die der amerikanischen Tochter.

Von alldem erfährt der Käufer vor dem Kauf jedoch nur, wenn er bei entsprechenden Angeboten genau hinsieht und den Hinweis „Verkauf durch: Amazon Global Store US“ ernst nimmt. Ein Klick auf den Anbieternamen führt dann zu einem vollmundigen Versprechen: „Amazon Export Sales LLC, hilft Ihnen dabei, Produkte aus der ganzen Welt leicht zu finden, Einkäufe zu tätigen und diese mit Sendungsverfolgung zu Ihnen nach Hause liefern zu lassen. Alle möglichen Importgebühren und Steuern werden im Einkaufswagen einberechnet, um ein reibungsloses Einkaufserlebnis zu gewährleisten.“

Klingt verlockend, also haben wir dieses unter dem Label „Amazon Global Store US“ laufende Angebot einmal ausprobiert. Da wir im Rahmen unserer regelmäßig durchgeführten anonymen Testkäufe ohnehin grad das Angebot an Intel-Prozessoren unter die Lupe nahmen, orderten wir einen Intel Core i5-9600K für 280,44 Euro. Die Lieferung aus den USA dauerte zwölf Tage, der Prozessor war ein Boxed-Modell ohne Kühlkörper und zeigte keinerlei Auffälligkeiten.

Irritierend an der Lieferung war allerdings die beigelegte „Rechnung“: Das Stück Papier trug keinerlei Angaben zu Empfänger oder Absender und laut der darauf abgedruckten Zahlen addieren sich 262,60 Dollar für den Prozessor und 5,48 Dollar für „Shipping & Handling“ zu stolzen 321,52 Dollar – geübte Kopfrechner kommen allerdings auf 268,08 Dollar.

Eine Differenz von 53,44 Dollar? Das sollte der Amazon-Support unserem Testkäufer doch mal erklären. Bei der Gelegenheit mahnte der Käufer auch gleich eine fiskalisch korrekte Rechnung mit Lieferanten- und Empfängeranschrift an. Die Differenz seien die Importgebühren, belehrte der Support. Die Rechnung stände wie üblich bei Amazon zum Download bereit.

Doch leider war es für diesen Einkauf nicht möglich, eine Rechnung herunterzuladen. Statt des sonst bei Käufen direkt bei Amazon üblichen Links zur Rechnung gab es nur den Hinweis „Rechnung nicht verfügbar, warum?“. Der dort hinterlegte Link lieferte allerdings keine auf diesen Einkauf zutreffende Erklärung. Also kontaktierte der Testkäufer erneut den Amazon-Support – dieses Mal schriftlich über das Kontaktformular.

Kurze Zeit später meldete sich Amazon und teilte lapidar mit, dass Amazon Global Store US leider keine Rechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer ausstellen könne. Man werde aber dafür sorgen, dass eine Zoll-Rechnung vom Transportdienstleister übermittelt werde.

Drei Währungen, keine Transparenz: Die zur Bestellung gehörende Zoll-Rechnung ist dann in britischen Pfund ausgestellt.

Ist Amazon Europa der Verkäufer, lässt sich die Rechnung einfach herunterladen. Einkäufer bei Amazon Global Store US erhalten hier keine Belege.

Wenig später trudelte tatsächlich eine Rechnung der „Customs Clearance Ltd.“ aus England ein. Auf dieser wurden ohne zielführende Erläuterungen 41,82 britische Pfund für einen Intel Core i5-9600K in Rechnung gestellt. Zu diesem Preis hätten wir gern eine entsprechende CPU erworben, doch gemeint war vermutlich die Gebühr für die Verzollung und Abfertigung so eines Prozessors.

Drei Währungen, keine Transparenz: Die zur Bestellung gehörende Zoll-Rechnung ist dann in britischen Pfund ausgestellt.

Damit lag also ein Stück Papier mit mathematisch fehlerhafter Berechnung in US-Dollar und eine Rechnung in britischen Pfund vor. Das Ganze sollten wir nun mit einer Aufstellung in Euro auf der Amazon-Webseite zu den Bestell-Details in Einklang bringen – Transparenz geht irgendwie anders und ob ein deutsches Finanzamt dieses Kuddelmuddel akzeptieren würde, darf getrost angezweifelt werden.

Vom Amazon-Support war in der Angelegenheit nichts mehr zu erfahren. Also baten wir Tobias Goerke von der Abteilung Amazon Corporate Communications um Stellungnahme. Wie, so wollten wir wissen, kommt ein Käufer bei Amazon Global Store US zu einer rechnerisch und steuerlich einwandfreien Rechnung? Mit welchen Wechselkursen arbeitet Amazon? Und warum gibt es keine transparente Kostenaufstellung?

Der Amazon-Sprecher ließ sich viel Zeit mit einer Reaktion, doch konkrete Antworten auf unsere Fragen lieferte er nicht. Bei den an unseren Testkäufer übermittelten Dokumenten handele es sich um Importdokumente und nicht um Rechnungen, belehrte er uns. Doch warum diese Dokumente weder fiskalisch noch rechnerisch korrekt waren, wollte oder konnte er uns nicht sagen.

Weiter teilte uns Goerke mit, dass unser Testkäufer bei einem Einkauf bei „Amazon Global Store“ als Importeur agiere. Amazon vereinfache diesen Prozess lediglich, indem alle Gebühren geschätzt und zum Verkaufspreis des Produkts hinzugerechnet würden. Ein von Amazon US benannter Transporteur würde dann die Gebühren in unserem Namen zahlen. Fallen die Importgebühren geringer aus als geschätzt, würden diese automatisch erstattet.

Mathematik für Spezialisten: Wie Amazon hier auf eine Summe von gut 321 Dollar kommt, bleibt im Dunklen.

Eine Erklärung, warum Amazon Global Store keine Rechnung ausstellt, lieferte der Amazon-Sprecher nicht. Wie ein Käufer an eine Aufstellung der tatsächlich angefallenen Kosten und Gebühren kommt, behielt er ebenfalls für sich.

Wer als Privatkunde bei Amazon einkauft, sollte deshalb sehr genau hinsehen, mit welchem „Amazon“ er im jeweiligen Einzelfall Geschäfte macht. Taucht als Verkäufer nicht „Amazon EU S.a.r.L.“ auf, darf man nicht davon ausgehen, auch wirklich eine transparente und nachvollziehbare Rechnung zu erhalten. Im Einzelfall mag das keine Rolle spielen, doch wenn man den Einkauf etwa beim Finanzamt einreichen will, ist Ärger vorprogrammiert.

Gewerbliche Einkäufer sollten Angesichts der Erfahrungen unseres Testkäufers besser einen Bogen um Angebote von „Amazon Global Store US“ machen. Eine fiskalisch korrekte Verbuchung solcher Käufe ist mit den von Amazon mitgelieferten Unterlagen schlicht nicht möglich. (gs)