Hebel gegen Kannibalisierung

Ein paar Vorschläge, wie Ride Sharing, Taxis und ÖPNV miteinander leben könnten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 4 Min.

Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) existiert seit 1934. Nun soll es zum wiederholten Mal reformiert werden. Ein schwieriges Unterfangen, denn es geht um nichts weniger als um die Austarierung von Taxis, neuen Sharing-Diensten und dem Öffentlichen Nahverkehr.

Ein strittiger Punkt ist beispielsweise die „Rückkehrpflicht“ sogenannter Mietwagen. Damit sind irreführenderweise keine Autos gemeint, die man sich bei Sixt, Flinkster oder Car2go mietet, sondern private Chauffeurdienste wie UberX und Uber Black. Sie dürfen derzeit keine Fahrgäste unterwegs aufnehmen, sondern müssen nach jedem Einsatz wieder in ihr Depot beziehungsweise ihre Einsatzzentrale zurückkehren. „Leerfahrten sollten aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes unbedingt vermieden werden“, schreibt dazu der TÜV-Verband. Taxi Deutschland kontert: „Die Rückkehrpflicht von Mietwagen führt nicht zu mehr Verkehr – auf Fahrgäste wartende und deshalb herumfahrende Mietwagen verstopfen die Innenstädte deutlich mehr.“

Welche Annahme ist plausibler? Zunächst einmal verursachen zumindest Ride Hailing-Dienste wie Uber Pop und Lyft offenbar tatsächlich massiv zusätzlichen Verkehr, wie der Verkehrsexperte Bruce Schaller in zahlreichen US-Städten herausgefunden hat. Zudem hätten die meisten Nutzer sonst das Rad, öffentliche Verkehrsmittel oder die eigenen Füße genutzt.

Aber ist das Problem tatsächlich durch ein Festhalten an der anachronistischen Rückkehrpflicht zu begrenzen? Die Taxi-Lobby verweist darauf, dass Taxis eine Beförderungspflicht haben, während sich die private Konkurrenz die Rosinen herauspicken darf – und fordert faire Spielregeln. Das ist legitim. Aber die Konsequenz daraus sollte nicht sein, die Überregulierung in einem Bereich durch eine Überregulierung in einem anderen Segment zu kompensieren.

Wozu gibt es überhaupt diese Trennung zwischen Chauffeur-Mietwagen und Taxis? Chancengleichheit ließe sich auch herstellen, wenn sämtliche Fahrdienste der gleichen Regulierung unterlägen. Meine Ideen dazu wären folgende:

  • Bestimmte Mindestanforderungen für den Fahrer sollten erhalten bleiben – etwa Gesundheitszeugnis, polizeiliches Führungszeugnis, Sozialversicherungspflicht, Mindestlohn, etcetera – und zwar unabhängig davon, ob jemand haupt- oder nebenberuflich Fahrten anbietet. Aufwendige Ortskunde-Prüfungen hingegen dürften mittlerweile überflüssig sein. Schließlich gibt es Navis.
  • Entweder es gelten feste Preise für alle, oder Taxis dürfen ihre Tarife ebenfalls nach Angebot und Nachfrage ausrichten. Wichtig ist, dass die Fahrtpreise jederzeit für den Kunden transparent sind.
  • Alle Regularien, wer wann wo auf welche Weise Passagiere aufnehmen darf, gehören abgeschafft.
  • Außerdem sollte ausdrücklich jede Form von Ride Pooling erlaubt werden.

Das Ergebnis wäre voraussichtlich ein System, mit dem sowohl Fahrgäste, Plattformbetreiber, Taxifahrer als auch Freizeitchauffeure leben könnten. Aber was ist mit dem Öffentlichen Nahverkehr? Sich mit dem Auto von Tür zu Tür kutschieren zu lassen, wird immer bequemer sein als in Busse oder Bahnen zu steigen. Insofern haben die Öffis einen prinzipiellen Nachteil. Und je geschmeidiger man die Ride-Sharing-Dienste gestaltet, desto größer wird dieser Nachteil. Deshalb sollte ein reformiertes PbefG den Kommunen auch gewisse Hebel bieten, eine Kannibalisierung des ÖPNV zu unterbinden. Solche Hebel könnten beispielsweise sein:

  • Alle Fahrdienste müssen ihre Bewegungsdaten – in anonymisierter Form – bei den Kommunen abliefern, damit sich ihr Einfluss seriös abschätzen lässt.
  • Die Kommunen müssen das Recht haben, gewisse Leitplanken bei der Preisgestaltung einzuziehen – etwa, indem sie die Spitzenpreise deckeln, damit diese nicht wegen plötzlicher Nachfrage explodieren, wenn beispielsweise eine U-Bahn-Linie ausfällt.
  • Umgekehrt sollten die Kommunen Mindestpreise festlegen können, um Dumpingangebote zu verhindern. Diese Preise könnten beispielsweise immer um einen bestimmten Faktor teurer sein als ein ÖPNV-Ticket für dieselbe Distanz.
  • Zudem müssen die Kommunen Genehmigungen auch an Auflagen knüpfen dürfen – etwa der Verpflichtung, nicht nur die Kneipenviertel zu bedienen, sondern auch den ländlichen Raum.

So vielen unterschiedlichen Zielen gerecht zu werden, erfordert allerdings politischen Mut und einen gesetzgeberischen Kraftakt. Ich bin mal gespannt, wieviel davon das Bundesautoverkehrsministerium aufbringen kann.

(grh)