Inklusion: Code zum Anfassen

Ansätze, Kinder für Informatik und Programmieren zu begeistern, gibt es viele. Microsoft hat nun das haptische Werkzeug „Code Jumper“ entwickelt, das auch blinde und sehbehinderte Kinder erreichen soll.

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Inklusion: Code zum Anfassen

(Bild: Code Jumper)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Cosima Ermert

Lego Mindstorms, Scratch, Calliope: Die Liste an Robotern, Programmen und Konzepten, die Kinder mit der Welt der Informatik vertraut machen sollen, ist schier endlos. Meist wird dafür als Programmieroberfläche so genannter Blockcode verwendet. Die einzelnen Befehlszeilen sind dabei als bunte Kästen visualisiert, die von den angehenden Informatikern zu einem Programm zusammengestellt werden können.

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Dieser Ansatz hat einen großen Nachteil: Man muss diese Blöcke sehen können. Blinde und sehbehinderte Kinder können mit visuellen Lösungen wenig anfangen. Professionelle Informatiker mit eingeschränkter Sicht benutzen in der Regel Screen-Reader, die ihnen den Bildschirminhalt in hoher Geschwindigkeit vorlesen. Das ist jedoch extrem anspruchsvoll und dürfte auf junge Technik-Fans eher abschreckend als motivierend wirken.

Microsoft will dieses Problem lösen. Mit seiner Initiative „Code Jumper“ schafft das Softwareunternehmen einen haptischen und akustischen Zugang zur Informatik. Es macht Befehlszeilen zu bunten Klötzen aus Plastik, so genannte „Pods", so dass kleine Musikstücke, Gedichte oder auch Geschichten entstehen. Die Pods sind mit Kabeln und Steckern miteinander verbunden und je nach verkörpernder Funktion, etwa eine Verzweigung im Programmcode, mit großen Drehschaltern, Knöpfen und Buchsen für die Stecker ausgestattet. Ausgabegerät ist der „Code Jumper Hub“, an den die Befehlskette angesteckt ist.

Wenn beispielsweise ein Lied programmiert werden soll, steht jeder Pod für einen Ton. Der Hub spielt diesen ab, wenn der jeweilige Pod an der Reihe ist. Welcher Ton das ist, können die Kinder selber einstellen. Die Funktionsweise ist dadurch zunächst auf akustische Aufgaben beschränkt. Das tut der Sinnhaftigkeit von Code Jumper jedoch keinen Abbruch. Die Kinder eignen sich mit dem robusten Tool grundlegende Programmierkonzepte wie Sequenzen und Verzweigungen, Iterationen, Logik und Variablen an. Außerdem lernen sie ein Problem auf verschiedene Arten und Weisen zu lösen.

Das Lernspielzeug eignet sich aber auch für sehende Kinder und ermöglicht inklusiven Informatikunterricht. Vorkenntnisse von Seiten der Lehrkräfte sind nicht notwendig, Code Jumper ist niederschwellig. Zudem stellt Microsoft Lehrmaterial zur Verfügung, beispielsweise ein App, in der das Programm als Blockcode und in einer textbasierten Programmiersprache abgerufen werden kann. Rein physikalisch ist die Komplexität der realisierbaren Programme natürlich begrenzt. Code Jumper möchte viel eher den Einstieg in umfangreichere Programmieroberflächen erleichtern.

Das barrierefreie Lernspielzeug wurde als Projekt Torino von Forschern und Computerwissenschaftlern von Microsoft über vier Jahre hinweg entwickelt. Nach einer Betaphase 2018, in der Kinder mit Sehbehinderung Code Jumper ausprobieren durften, wird das Produkt im Laufe dieses Jahres in Australien, Kanada, Indien, Groß Britannien und den USA veröffentlicht. Vertreiber ist die gemeinnützige Organisation APH (American Printig House for the Blind), die es sich auf die Fahne geschrieben hat, Menschen mit Sehbeeinträchtigung ein unabhängiges Leben zu ermöglichen. Den weltweiten Markt soll Code Jumper in den nächsten fünf Jahren erobern.

(jle)