Zahlen, bitte! 7,5 Milliarden Lichtjahre from home

Gammablitz GRB 080319B ist mit 7,5 Milliarden Lichtjahren das am weitesten entfernte Himmelsereignis, das je mit bloßem Auge wahrgenommen werden konnte.

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Zahlen, bitte! Ein 7,5 Milliarden Lichtjahre entfernter augenscheinlicher Gammablitz
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Inhaltsverzeichnis

Mit "2000 Lichtjahren von zu Hause entfernt" waren die Rolling Stones ja gar nicht so weit weg. Zumindest nicht, wenn man sich den Gammablitz GRB 080319B vergegenwärtigt. In 7,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung dürfte die Einsamkeit noch einmal stark zugenommen haben ...

Ein Gammablitz wie GRB (englisch: Gamma Ray Burst) 080319B setzt beim Ausbruch eine enorme Energie frei: innerhalb von wenigen Sekunden so viel, wie die Sonne über Milliarden von Jahren ausstrahlt.

Mit einer absoluten Helligkeit von -36 mag war GRB 080319B schlappe 2,5 Millionen Mal heller als die leuchtstärksten bisher bekannten Supernovae SN 2005ap und SN 2006gy. Die scheinbare Helligkeit betrug immerhin 5,76 mag. Es handelt sich nicht nur um das am weitesten entfernte bekannte Himmelsereignis, das mit bloßem Auge erkennbar war, sondern war zudem auch der erste Gammablitz, dessen Nachleuchten überhaupt mit einer fürs Auge sichtbaren Helligkeit strahlte.

Die künstlerische Darstellung des Gammablitzes 080319B

(Bild: NASA)

GRB 080319B hatte mit einer Distanz von 7,5 Milliarden Lichtjahren bereits mehr als das halbe sichtbare Universum durchquert. Eine weitere Konsequenz dieser unglaublichen Zahl: Als die Erde vor etwa 4,6 Milliarden Jahren entstand, war dieser Gammablitz bereits 3 Milliarden Jahre alt.

Zwei Satelliten der ersten Vela (spanisch für: velar = beobachten, oder nach dem Sternbild "Segel des Schiffs"). Sie wurden in den 1960ern paarweise ins All gebracht und überwachten die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags.

(Bild: US Air Force)

Die Existenz von Gammablitzen ist der Wissenschaft seit gerade einmal knapp 50 Jahren bekannt. Die Entdeckung war ein Nebeneffekt vom Einsatz militärischer Überwachungssatelliten der Vela-Reihe. Sie wurden eigentlich verwendet, um das Verbot von Kernwaffentests in der Atmosphäre und im Wasser durch den Atomwaffensperrvertrag 1963 zu überwachen.

Und bis auf einen ungeklärten Fall war kein irdischer Verstoß gegen das Abkommen festzustellen, im Gegensatz zum Weltall: Der Satellitenverbund der ersten Generation entdeckte im Juli 1967 erstmals einen Gammablitz, jedoch eben nicht von der Erde, sondern aus dem All.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Die verdutzten Wissenschaftler konnten zudem zu dem Zeitpunkt noch nicht genau feststellen, ob der Blitz außerhalb des Sonnensystems seinen Ursprung hatte oder innerhalb des Sonnensystems ein Atomkrieg stattfand. Jedenfalls detektierten die Sonden regelmäßig Gammablitze über den gesamten Himmelsbereich.

Da keinerlei Himmelsstreitkraft an der Ausgestaltung des Vertrags mitgewirkt hatte, waren diese Erscheinungen auch kein Verstoß gegen die Vertragsbestimmungen. Und 1973 konnten Forscher des Los Alamos National Laboratory in Neu Mexiko endgültig nachweisen, dass die Blitze extragalaktischer Natur waren.

Mehr Infos

- Entdeckt am 19. März 2008, um 6:12:49 Uhr (UTC)

- Lokalisierung:
etwa 5′ von γ Bootis (Seginus) entfernt,
auf J2000.0-Position RA = 14h 31m 41s / Dec = +36° 18′ 09″

- Entfernung: ca. 7,5 Milliarden Lichtjahre (z=0.937)

- optisches Nachglühen mit einer scheinbaren Helligkeit von 5,76 mag und absoluten Helligkeit von -36 mag

- Hauptereignis etwa 30 Sekunden lang

- Ausgestoßene Materie mit 99,99995 % der Lichtgeschwindigkeit unterwegs

- 200.000.000 mal heller als seine Galaxie

- 2.500.000 mal heller als die bis dahin hellsten Supernovae SN 2005ap, sowie SN 2006gy

- 2.500 mal weiter entfernt als der M33 "Dreiecksnebel", das mit etwa 3.000.000 Lichtjahren bisher am weitesten entfernte Himmels-Objekt, welches man bei optimalen Bedingungen grade so noch mit eigenen Augen sehen kann.

Ein Gammablitz entsteht bei einem sterbenden Stern, der sich in der Regel in ein schwarzes Loch verwandelt. Entlang der Rotationsachse entsteht dabei ein gebündelter, hochenergetischer Teilchenstrahl, welcher mit bis zu 99,99995 % der Lichtgeschwindigkeit Materie ausstößt - viel schneller durfte das auch nicht passieren, sonst hätte Einstein ein Problem.

Wenn diese Teilchen auf andere Überreste des zusammenfallenden Sterns auftreffen, werden neben Gammastrahlung auch Röntgenstrahlen, sichtbares und infrarotes Licht sowie Radiowellen ausgestrahlt.

Der Lichtblitz, aufgenommen der polnischen Pi of the Sky - Himmelsüberwachung.

(Bild: Gif-Animation: Universität Warschau)

Der innere Kegel von GRB 080319B war in etwa 0,4 Bogengrad groß (und hatte damit von der Erde aus gesehen knapp die scheinbare Größe des Vollmondes) und traf die Erde genau im Brennpunkt. Für diesen Moment wirkte der sterbende Stern 200 Millionen Mal heller als seine Galaxie.

Zu der Stärke der Röntgenstrahlung von Gammablitzen meinte der Physiker Jochen Greiner vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in einem Fachbeitrag: "Die meiste Energie wird typischerweise zwischen hundert und dreihundert Kiloelektronenvolt ausgestrahlt. Eine typische Röntgenaufnahme beim Arzt arbeitet bei 25 Kiloelektronenvolt, also sind die Gammablitze noch einmal einen Faktor vier bis hundert höher in der Energie. Das Spektrum ist aber sehr breitbandig."

Der Satellit Swift, seit 2018 offiziell Neil Gehrels Swift Observatory, erforscht seit 2004 Gammablitze und entdeckte GRB 080319B am 19. März 2008.

(Bild: NASA)

Durch die Unvorhersehbarkeit und Kürze eines Gammablitzes sind sie sehr schwer zu erforschen, da sie sich nicht ankündigen und meist binnen Sekunden wieder abklingen. Somit waren diejenigen, die 2008 im richtigen Moment in den Nachthimmel blickten, ausgesprochene Glückspilze.

Um diese Gammablitze besser erforschen zu können, sind mit Swift und Fermi zwei Satelliten im All, die deren Strahlung messen. Die Strahlung wird nämlich sonst in der Regel von der Atmosphäre geschluckt und ist nur in Ausnahmefällen wie bei GRB 080319B von Erdobservatorien bemerkbar.

Das Nachleuchten von GRB 080319B, links die Aufnahme von Röntgenteleskop XRT, sowohl rechts dem optischen/ultraviolett-Teleskop UVOT von Satellit Swift..

(Bild: NASA)

Und Swift war es auch, der am 19. März 2008 um 6:12:49 Alarm schlug (Fermi war zu dem Zeitpunkt noch nicht im All). Da solche Gammablitze nicht nur die stärksten, sondern mit Zeiten von 3 bis 100 Sekunden auch kürzesten Himmelsereignisse darstellen, zählt hier wahrlich jede Sekunde, sodass Swift sogleich nach dem Auffinden seine Instrumente nach dem Gammablitz ausrichtete und mögliche Teleskope auf der Erde darauf aufmerksam machte.

Am meisten treibt es die Wissenschaftler um, wie es möglich ist, dass Energieausbrüche binnen Sekunden so energiereich sein können wie die Sonnenaktivität in Milliarden Jahren. Durch die Satellitenforschung in Verbindung mit Hochleistungsteleskopen haben die Wissenschaftler mittlerweile etwas mehr Klarheit erhalten: Derzeit ist die Synchrotron-Strahlung ein heißer Kandidat für die Ursache eines solchen Energieausbruchs. Sie entsteht, wenn Elektronen in gekrümmten Bahnverläufen beschleunigt werden.

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Der 19. März 2008 war also ein besonderer Tag für die Astronomie – leider aber auch für die Science-Fiction-Literatur. Arthur C. Clarke verstarb an diesem Tag in seiner Wahlheimat Sri Lanka. Und das kurz vor der Entdeckung von GRB 080139B. Clarke ist Vielen bekannt als Autor wegweisender Geschichten wie der Wächter, die unter anderem die Grundlage für Stanley Kubricks Meisterwerk 2001 - Odyssee im Weltraum bildete, oder der Stern, einer Geschichte über eine ganz besondere Sternexplosion.

Natürlich kann es Zufall sein. Genau wie die Erscheinung der drei anderen Gammablitze, die an diesem überdurchschnittlich ereignisreichen Tag noch gemessen wurden. Der Nerd in uns erkennt darin aber einen intergalaktischen Salut vor einem der insprierendsten Köpfe, dessen Einfluss weit über die Science-Fiction-Literatur hinaus ging und sogar die Raumfahrt beeinflusste.
Arthur C. Clarke hätte dieser Gedanke sicher gefallen.

(mawi)