SPD will Paketbranche neu regulieren

Ausbeutungsvorwürfe und zunehmende Beschwerden – die Paketbranche hat Probleme. Die SPD will die Dienstleister nun für Subunternehmer verantwortlich machen.

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(Bild: dpa, Oliver Berg)

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Von
  • Torsten Kleinz
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Nach dem Arbeitsminister Hubertus Heil macht nun auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles verstärkt Druck auf die Paketbranche. Insbesondere bei Subunternehmern liege "eine Menge im Argen", sagte Nahles der Süddeutschen Zeitung. Bei den Zustellfirmen komme es zu "handfester Ausbeutung".

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Die Lösung, die Bundesarbeitsminister Hubertus Heil bereits ins Gespräch gebracht hat: Künftig sollen die Paketdienstleister direkt in Haftung genommen werden können, wenn die von ihnen beauftragten Subunternehmer gegen Gesetze verstoßen, indem sie etwa Sozialabgaben nicht abführen oder Lohndumping betrieben.

Nach gezielten Kontrollen im Februar waren die Paketdienstleister durch den Zoll unter Druck geraten. So ermittelten die Zollfahnder, dass vielen Paketdienstleistern offenbar nicht der Mindestlohn von 9,19 Euro pro Stunde ausgezahlt wurde, viele waren zudem nicht korrekt gemeldet. Zwei Fahrer wurden sogar ohne Führerschein erwischt.

Die Paketdienstleister wären nicht die einzige Problem-Branche, die per Gesetz eine erweiterte Haftung vorgeschrieben wird. Zwar müssen sich Unternehmer auf Nachzahlungen gefasst machen, wenn Arbeitskräfte für sie tätig sind, die nicht den Mindestlohn erhalten. In der Bauwirtschaft und der Fleischindustrie können die Auftraggeber aber auch für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge in Haftung genommen werden.

Vom Koalitionspartner kommt Widerstand. So hat sich Bundeswirtschaftsminister Altmaier dagegen ausgesprochen, der Paketbranche mehr Regulierungen aufzuerlegen. "Wir brauchen menschenwürdige Zustände und der Mindestlohn muss eingehalten werden“, erklärte der CDU-Politiker kürzlich gegenüber der Rheinischen Post. Gleichwohl gehe der Vorschlag des Koalitionspartners am Ziel vorbei. "Den Auftraggeber haftbar zu machen, der selbst keine Möglichkeit hat, diese Dinge bei Subunternehmern zu kontrollieren, halte ich für einen bürokratischen und falschen Weg“, sagte Altmaier.

Auch aus der Branche kommt wenig Begeisterung für das Gesetz. Auf Anfrage von heise online erklärte der Bundesverband Paket & Expresslogistik, dass man das Gesetzesvorhaben nicht kommentieren könne, bevor die Bundesregierung einen Gesetzentwurf vorlege. Notwendigkeit für staatliche Eingriffe sieht man aber nicht. "Faire Arbeitsbedingungen, die Sicherung hoher Sozialstandards und ein gutes Arbeitsumfeld sind zentrale Faktoren für unsere Mitgliedsunternehmen. Sie halten sich selbstverständlich an bestehende gesetzliche Regelungen und erwarten dies auch von den Vertragspartnern“, erklärt der Verband, zu dessen Mitgliedern unter anderem Hermes, DPD und UPS gehören.

Auch andere zeigen sich skeptisch – allerdings aus anderen Gründen. So verweisen auch Gewerkschaften auf die Notwendigkeit verschärfter Kontrollen, um den Verstößen gegen die Arbeitsgesetze entgegenzuwirken. Gegenüber heise online erklärt Maik Brandenburger, Sprecher der Kommunikationsgewerkschaft DPV: "Ein erster wichtiger Schritt ist für uns die Anwendung bestehender gesetzlicher Regelungen.“ So müsse es flächendeckende, regelmäßige und umfassende Kontrollen durch die zum Zoll gehörende Finanzkontrolle Schwarzarbeit geben. Für die Vorschläge des Arbeitsministers sei man jedoch offen.

Grund für die Missstände seien auch die derzeitigen Wettbewerbsbedingungen. "Der Wettbewerb in der Paketbranche findet seit Jahren allein über den Preis und damit auch über die Löhne der Beschäftigten statt“, betont Brandenburger. So liefern sich die Paketdienstleister derzeit einen harten Konkurrenzkampf insbesondere um Großkunden, der durch Neuzugänge wie Amazons eigenen Lieferdienst weiter angeheizt wird. Privatkunden haben oft keinen Einfluss darauf, von welchem Versender eine bestellte Ware überbracht wird.

Die Symptome der überlasteten Fahrer kennen viele Deutsche zur Genüge: Paketboten klingeln erst gar nicht, hinterlassen kryptische Hinweise, wo sie ein Paket hinterlegt haben oder stopfen die Sendungen in jede verfügbare Öffnung. So haben sich die Beschwerden bei der Bundesnetzagentur sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Über 11000 Beschwerden gingen bei der Bonner Behörde ein – und das obwohl die Mehrheit der großen Paketdienstleister die Zuständigkeit der Schlichtungsstelle der Behörde explizit ausschließen.

Kunden können sich unterdessen bereits vor der Vorlage des neuen Gesetzes auf höhere Preise oder weitere Wege gefasst machen. So haben die Paketzulieferer DPD und Hermes bereits Zusatzgebühren für die Lieferung an die Haustür in Aussicht gestellt, die direkt vom Kunden zu zahlen wären. DHL will diesen Schritt nicht mitgehen, baut aber sein Vertriebsnetz weiter aus. So sollen 1000 neue Packstationen und 500 neue Paketshops aufgebaut werden, dazu zahlreiche neue Fahrer ausgebildet werden. Die Kosten dafür müssten wohl auch die Versender tragen, die dann Leistungen wie die kostenlose Rücknahme von Waren in Frage stellen können. (axk)