.eu-Domain: ICANN unter Beschuss

Auf der Konferenz "Internet Governance" zeigten sich gerade die Europäer schwer enttäuscht von der Netzverwaltung ICANN.

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Die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) wird häufig als Modell einer zukünftigen, von Staaten, Interessenvertretern und der Wirtschaft gemeinsam ausgeübten Regulierungspolitik bezeichnet. Doch nachdem im US-Kongress das Schalten und Walten der Herrscher über den Namensraum des Internet bereits mehrfach unter die Lupe genommen wurde, häufen sich nun auch in Europa kritische Stimmen. Auf der Konferenz Internet Governance – Wer regiert das Internet? zeigten sich die meisten europäischen Beobachter enttäuscht über die Arbeit der ICANN.

Nachdem der Giessener Politologe Claus Leggewie das Experiment der ersten globalen Online-Wahlen zum Aufsichtsrat der ICANN für gescheitert erklärt hatte, hielt auch Detlef Eckert, Leiter der Grundsatzabteilung der Generaldirektion Informationsgesellschaft der Europäischen Kommission, mit seiner Kritik nicht hinterm Berg. Wer die ICANN als "wahrhaft international" bezeichne, "liegt falsch", befand der Volkswirtschaflter Er beklagte ein "nicht ausgewogenes" Kräfteverhältnis zwischen der Europäischen Union und den USA im Bereich der ICANN. Auch für den Rechtsanwalt Michael Schneider, der aus seinen Erfahrungen im Names Council der ICANN berichtete, haben die USA die Strukturen der Netzverwaltung "voll im Griff". So beschäftige die ICANN nur einen einzigen nicht-amerikanischen Mitarbeiter. Außerdem übe der Justiziar des Unternehmens – natürlich ein US-Amerikaner – "mehr Einfluss aus, als er eigentlich haben sollte."

Für zahlreiche europäische Politiker ist besonders ärgerlich, wie die ICANN die Einrichtung der Domain .eu immer wieder verzögert. Dem Abgesandten der EU-Kommission legte der von den europäischen Surfern gewählte ICANN-Direktor Andy Müller-Maguhn daher nahe, am besten gleich einen alternativen Namensraum und Root-Server einzuführen. Unabhängig davon, ob die ICANN die von vielen Politikern in Europa gewünschte Top Level Domain .eu nun einführen würde, sollte diese ins Auge gefasste Erweiterung des Domain-Namen-Systems "technisch so gestaltet werden, dass sie unabhängig von ICANN ist". Notfalls müsste die Kommission dafür einen alternativen Root-Server aufbauen. Bisher werden alle Anfragen nach Webadressen in letzter Instanz vom A-Root-Server in Virginia an ihr Ziel geleitet, der von Verisign/NSI gewartet wird.

Generell hat Müller-Maguhn den Eindruck, dass im Board der ICANN "knallhart" die Interessen der amerikanischen Wirtschaft und der US-Regierung vertreten werden. Dies habe der Entschluss zur Verlängerung der Verwaltungslizenz über die lukrative .com-Domain zugunsten der kalifornischen Firma Verisign/Network Solutions gezeigt, der entgegen dem Voting des Names Council in einer Telefonkonferenz des Aufsichtsrats getroffen wurde.

Hans Kraaijenbrink, einer der am längsten amtierenden ICANN-Direktoren, verwies die Berichte von der permanenten Bevormundung der ICANN durch die US-Regierung dagegen ins Reich der Legenden. "Ich fühle nicht ständig einen heißen Atem in meinem Nacken", sagte der Niederländer, der als Lobbyist für die Telekommunikationsgesellschaft KPN in Brüssel sitzt. Auch die ständige Kritik an dem Netzgremium konnte er nicht nachvollziehen. "Was wir gelernt haben, ist, dass die Selbstverwaltung möglich ist", sagte Kraaijenbrink, für den ICANN die "transparenteste Organisation auf der ganzen Welt ist".

Mehr in Telepolis: Wer regiert das Internet? (Stefan Krempl) / (jk)