Chatten per Mail: Open-Source-Veteranen wollen WhatsApp Konkurrenz machen

Mit "Chat over IMAP" sagt die Kölner Firma Open-Xchange dem Datensauger Facebook und dessen "Silos" WhatsApp und Messenger den Kampf an.

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Chatten per Mail: Open-Source-Veteranen wollen WhatsApp erübrigen
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Was wäre, wenn Chatten einfach über die gute alte E-Mail möglich wäre und sich die Krake Facebook eben nicht die privaten Metadaten mit ihren Diensten WhatsApp und Messenger einverleiben würde? Wenn wir die manchmal etwas langsame elektronische Post in Echtzeit abwickeln und mit Funktionen wie einem zuverlässigen Zustellungsnachweis, automatischer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung oder einer Anzeige aufbohren könnten, dass das Gegenüber gerade tippt und am Ball bleibt?

"Wir gehen schon lange mit so einer Idee schwanger", erklärt Rafael Laguna, Geschäftsführer des Kölner Softwarehauses Open-Xchange (OX) im Gespräch mit heise online. Er ist kein Freund dieser "Messaging-Silos", wie sie die großen Chat-Dienste und ihre kleineren Konkurrenten wie Signal, Threema oder Telegram bezeichnen. Deren Macher hätten zwar "tolle Clients" gebaut, meint der Unternehmer und Programmierer. Dass sich die Nutzer damit aber "in die lineare Abhängigkeit" zu diesen Anbietern begäben, habe "Open-Source-Leute" wie ihn schon immer gestört.

Der Coi-Client soll den üblichen Messengern ähneln.

(Bild: OX (Screenshot))

Die Lösung glaubt Laguna mit "Chat over IMAP" (COI) gefunden zu haben. Das ist eine offene Spezifikation, die OX angestoßen hat. Sie gründet auf den gängigen Mail-Protokollen SMTP und IMAP (Simple Mail Transfer Protocol und Internet Message Access Protocol). SMTP nutzt man zum Einreichen und Übertragen von Mails zum Empfänger, IMAP zum Mail-Abruf vom Server. Mit IMAP können Nutzer ihre Mails und Einstellungen auf den Servern belassen und sehen auf allen Geräten denselben Stand an eingegangenen, gelesenen oder beantworteten Mails – egal ob PC, Laptop oder Smartphone. COI erweitert die SMTP- und IMAP-Konzepte um Chat-Funktionen, wie sie von den üblichen Messenger-Diensten bekannt sind. SMTP dient dann zum Versenden von Chat-Botschaften, IMAP zum Empfangen.

Die klassischen E-Mail-Freiheiten sollen erhalten bleiben, sodass etwa jeder halbwegs technisch Versierte einen eigenen solchen Chat-Server betreiben könnte. Dazu kommt die große Reichweite der Elektropost: "3,8 Milliarden Menschen weltweit haben E-Mail mit durchschnittlich 1,8 Konten pro Nase", erläutert Laguna. Eine Hälfte davon sei "bei Google oder Microsoft", die andere gehöre zur freien "IMAP-Server-Population". So müssten die Leute nicht allein deshalb zu WhatsApp greifen, weil schon "alle Freunde" ein solches Konto haben. Stattdessen kann mit COI jeder Nutzer seine Mailbox nehmen, um genau dasselbe zu machen wie Facebook, aber noch deutlich mehr Menschen erreichen.

Den WhatsApp-Messenger nutzen derzeit 1,5 Milliarden Anwender, den Facebook-Messenger 1,2 Milliarden. Da die Vernetzungseffekte bei Mail wegen der größeren Nutzerbasis noch stärker sein dürften, glaubt Laguna, dass die Leute mit COI "abgeholt" werden können. Der Angriff auf die Kalifornier kommt nicht aus der hohlen Hand: Die Kölner sind selbst E-Mail-Betreiber. Und auf 76 Prozent der Server im IMAP-Universum läuft der Open-Source-Server Dovecot. Laut OX arbeiten die Dovecot-Entwickler daran, COI zu implementieren. Damit wäre viel gewonnen, denn allein in Deutschland nutzen Größen wie 1&1, die Deutsche Telekom oder Vodafone den Dovecot-Server.

Die offene Architektur fürs Chatten über die weltweite Mail-Infrastruktur steht für Laguna damit schon. IMAP hat ihm zufolge eigentlich auch schon fast alles, was für Echtzeit-Kommunikation nötig ist, und werde oft bereits für SMS und Voice Mail verwendet.