Alles ist im Wandel

„Die reden ja ohne Punkt und Komma“ ist längst nicht mehr im übertragenen Sinne zu verstehen. In Sozialen Medien und Messenger-Diensten verändert sich die Schriftsprache und ihre Interpunktion. Geht es nun bergab?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 2 Min.

„Bringst du noch milch mit. Bin noch auf arbeit aber gegen 7 zuhause“

Na, haben Sie in dieser Nachricht etwas bemerkt oder vermisst? Vielleicht findet sich auch auf Ihrem Smartphone eine Mitteilung in dieser Form bei einem der Messenger-Dienste – das heißt ohne Großschreibung, Fragezeichen und Punkt. Ich bin bei solchen Nachrichten immer etwas irritiert, vermutlich eine Berufskrankheit, aber nichtsdestotrotz: die Botschaft kommt ja an, Kommunikation geglückt.

Dennoch liegt bei derlei Missachtung der Grammatik die Annahme nahe, mit der Schriftsprache geht es im Digitalen bergab. Ist keine Zeit und Muße mehr für Punkt und Komma, Großschreibung von Substantiven oder einen ganzen Satz?

Linguisten entwarnen. So hat etwa der Sprachwissenschaftler Florian Busch von der Universität Hamburg kürzlich mit seinem Team mehr als 10.000 Chat-Nachrichten von Schülerinnen und Schülern aus Hamburg und Schleswig-Holstein untersucht. Er stellte unter anderem fest, dass Satzzeichen in der digitalen Kommunikation neue Aufgaben übernehmen. So werde der Punkt weniger genutzt, da schon das Chat-Format an sich das Ende eines Satzes deutlich macht. Wird dann doch ein Punkt gesetzt, deutet der daraufhin, dass man nun zum Schluss kommen wolle.

Unterstütztung in Bezug auf die Entwarnung erfährt Busch auch von dem Mannheimer Sprachforscher Henning Lobin. Er betont, dass sich die Nutzer digitaler Kommunikationskanäle in ihrem Schriftstil je nach Anlass und Adressat anpassen. Unter Jungendlichen diene etwa das Weglassen von Präpositionen als Abgrenzung zur Sprache von Erwachsenen. Die sprachliche Eigenheit drückt die Zugehörigkeit zur Gruppe aus. An anderer Stelle, zum Beispiel in formalen Mails, werde dann darauf verzichtet.

Deutlich wird durch diese Beobachtungen also zunächst, dass die sprachliche Ausdrucksweise online vor allem vielfältiger und je nach Kontext angeglichen wird. Einen Verfall bestätigen die Experten im Zeitalter von WhatsApp, Telegram und Co. nicht. Und falls doch: Hätte dieser Verfall nicht schon mit dem Aufkommen der SMS vor über 25 Jahren seinen Anfang nehmen müssen, als die Schriftsprache schon allein durch die Begrenztheit der Kurzmitteilung in ihre Schranken gewiesen wurde? Aber auch hier gilt: Die Kommunikation gelang damals und gelingt auch nach wie vor. Und allen Pessimisten sei gesagt: Keine Sorge. Schriftsprache bleibt erhalten. Nur damit, dass sie sich unter den Bedingungen im digitalen Rahmen wandelt (wie so vieles anderes), damit muss man sich schlichtweg abfinden.

(jle)