Sachsen: Polizei darf Verbrechen mit Gesichtserkennung und Handgranate bekämpfen

Der sächsische Landtag hat die strittige Reform des Polizeigesetzes beschlossen, mit denen die Ordnungshüter viele neue, auch präventive Befugnisse erhalten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 218 Kommentare lesen
Überwachung
Lesezeit: 2 Min.

Die Videoüberwachung soll in Sachsen deutlich verschärft werden – vor allem auf Verkehrsrouten, die für "grenzüberschreitende Kriminalität" zur Verschiebung von Diebesgut genutzt werden oder Tatorte des Menschenhandels sind. Die Polizei darf künftig so innerhalb eines 30-Kilometer-Korridors entlang der Grenzen zu Polen und Tschechien versuchen, Schwerverbrecher mit Videoaufnahmen sowie automatischer Gesichtserkennungs-Software ausfindig machen. Dies geht aus einem Entwurf zur Novelle des Polizeirechts hervor, den der sächsische Landtag am Mittwoch verabschiedet hat.

Kommunen können demnach bald in Eigenregie Maßnahmen zur Videoüberwachung veranlassen. Scanner für den automatisierten Abgleich von Kfz-Kennzeichen sollen an sächsischen Straßen verstärkt eingesetzt werden. Polizisten selbst sollen mit Bodycams ausgerüstet werden. Darauf hatten sich die Regierungsfraktionen von CDU und SPD vor Kurzem noch geeinigt und den Entwurf des Kabinetts vom vorigen Jahr über einen Antrag des Innenausschusses entsprechend geändert. Den Ermittlern soll zudem eine "präventive Telekommunikationsüberwachung" sowie das Abbrechen von Mobilfunkverbindungen mithilfe von Störsendern erlaubt und der Einsatz von IMSI-Catchern zur Standortermittlung erleichtert werden.

Die Polizei darf zudem Daten bei Internetkonzernen wie Amazon, Facebook, oder Google abfragen. Spezialeinheiten etwa zur Terrorabwehr sollen in besonderen Einsatzsituationen auch auf Waffen mit erforderlicher Reichweite und hoher Durchschlagskraft wie Maschinengewehren oder Handgranaten zurückgreifen dürfen. Auch nicht-tödliche Munition darf verwendet werden. Elektronische Fußfesseln können Gefährdern auch angebracht werden, um Aufenthalts- oder Kontaktverbote zu überwachen. Generell sollen die Strafverfolger vermehrt schon "im Vorfeld einer konkreten Gefahr" eingreifen dürfen. Auch von mehr Möglichkeiten zur Abwehr einer "dringenden Gefahr" sind vorgesehen, in der "das Ausmaß des zu erwartenden Schadens und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts" besonders hoch sind.

Nicht durchsetzen konnte sich die CDU mit ihren Rufen nach Kompetenzen im polizeilichen Abwehrrecht für heimliche Online-Durchsuchungen oder den Einsatz von Staatstrojanern zur Quellen-Telekommunikationsüberwachung, die insbesondere auf Messenger-Dienste wie WhatsApp zielt. Der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig hatte vorab nach Bürgerrechtsorganisationen vor einem "hohen verfassungsrechtlichen Risiko" vor allem durch die unausgereifte, in ihren Folgen kaum abschätzbare und ethisch nicht vertretbare Gesichtserkennung gewarnt. Linke und Grüne lehnten die Reform als massiven "Schlag gegen die Bürgerrechte" ab, mit dem auch vermehrt Unverdächtige in die Überwachungsmaschinerie gerieten. Sie wollen beim Verfassungsgerichtshof Klage einreichen. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen Anfang 2020. (axk)