Informationsfreiheit: Gericht zerpflückt Gebührenpraxis des Bundesinnenministeriums

Bundesinnenministerium will hohe Gebühren für den Zugang zu seinen Informationen durchzusetzen, doch keines seiner Argumente dafür hatte vor Gericht Bestand.

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Richterhammer

(Bild: dpa, Friso Gentsch/Symbolbild)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Tim Gerber

Das Verwaltungsgericht Berlin hat einen Gebührenbescheid des Bundesinnenministeriums (BMI) mit deutlichen Worten aufgehoben und die Behörde verurteilt, die Gebühren in dem entschiedenen Fall deutlich zu senken. Dabei wollte das Ministerium für die Herausgabe weniger Seiten zur Vorbereitung eines Besuchs des damaligen Ministers Thomas de Maizière (CDU) in der Berliner Niederlassung von Facebook 235 Euro kassieren. Die Gebühr sei rechtswidrig und verstoße gegen das gesetzliche Verbot abschreckender Gebühren in § 10 Abs. 2 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG), heißt es in dem nun schriftlich vorliegenden Urteil vom 29. März. PDF

An der Gebührenpraxis des BMI bemängeln die Richter, „dass dabei Antragsteller, die einen eher geringen Verwaltungsaufwand verursachen, im Vergleich zu Antragstellern mit einem Verwaltungsaufwand von über 500 Euro proportional stärker belastet werden.“ Das BMI legt nämlich den Verwaltungsaufwand mit Stundensätzen von 60 Euro einfach proportional um und kappt die entstehenden Gebühren bei der in der Gebührenverordnung (IFGGebV) vorgesehenen Höchstgrenze von 500 Euro. Ob der Antrag einen Aufwand von 10 Stunden verursacht oder von 50 spielt dann keine Rolle mehr, die Gebühr beträgt in jedem Fall nur 500 Euro. Wer einen vergleichsweise niedrigen Aufwand von 5 Stunden verursacht, muss hingegen die vollen 300 Euro berappen.

Diese Praxis hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bereits 2017 in einem Leitsatz-Urteil untersagt. Das Bundeswirtschaftsministerium, gegen das es ergangen ist, hat die wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht eingelegt, sondern nach gründlicher Prüfung auf Ebene seiner Staatssekretäre entschieden, das Urteil zu akzeptieren und dessen Grundsätze künftig anzuwenden und entsprechende Vorgaben zu entwickeln. Ihm folgten nach entsprechender Beratung andere Ministerien wie das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz oder das Auswärtige Amt (siehe c't 4/2019 Seite 50).

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) -- hier bei der Amtsübergabe im März 2018 -- lässt seine Sachbearbeiter im Alleingang von Urteilen abweichen, die andere Ministerien anstandslos umsetzen.

(Bild: BMI, Henning Schacht)

Einzig das BMI will dieses Urteil nicht akzeptieren und an seiner alten Praxis überhöhter Gebühren festhalten. Dazu hätte es eigentlich schon aufgrund des Gleichheitsgrundsatzes und den Vorschriften über ein einheitliches Auftreten der Bundesministerien nach außen einer Abstimmung auf Ministerebene bedurft. Soweit man erfahren konnte, wurde die Entscheidung, das obergerichtliche Urteil im Alleingang zu ignorieren, im Ministerium von Horst Seehofer (CSU) von einem einzelnen Sachbearbeiter im Rang eines Regierungsdirektors ohne jede Abstimmung getroffen. Genauere Auskünfte dazu verweigert die Behörde seit Monaten hartnäckig, ein auf das Auskunftsrecht der Presse gestütztes Klageverfahren ist dagegen beim Verwaltungsgericht Berlin anhängig.

Gegen dessen Urteil in der Gebührenfrage will das Ministerium -- oder jedenfalls dessen Sachbearbeiter -- nun die zugelassen Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht anstreben. Der siegreiche Kläger will dem zustimmen, wie er heise online mitteilte, damit endlich Klarheit in die Gebührenbemessung kommt, wie er sagte.

(tig)