Bienen mit Barcode

Der Informatiker Tim Landgraf leitet das Biorobotik-Labor der FU Berlin. Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe erforscht biologische Systeme mit Hilfe von Robotern.

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Bienen mit Barcode

(Bild: Photo by Damien Tupinier on Unsplash)

Lesezeit: 4 Min.

Technology Review: Sie erforschen das Verhalten von Bienen mit Hilfe von Robotern und künstlicher Intelligenz. Warum?

Tim Landgraf: Bienen sind sehr schlaue Tiere, die interessantes Verhalten zeigen. Das tun sie sowohl als Individuen, zum Beispiel in der Navigation, als auch kollektiv im Schwarm. Je tiefer ich da einsteige, desto faszinierender wird das. Aber zur Erforschung dieser Sachverhalte brauchen wir Instrumente, die die Biologie nicht hatte. Also haben wir die Tools entwickelt - was auch in der Fachwelt viel Anklang gefunden hat.

TR: Können Sie ein Beispiel nennen?

Prof. Dr. Tim Landgraf von der FU Berlin.

(Bild: FU Berlin)

Was passiert, wenn eine Biene ausfliegt? Sie sucht Futter, findet Futter, sammelt es und bringt es zurück zum Bienenstock. Wenn das Futter interessant war, muss sie das den anderen mitteilen. Aber das muss die Biene erst mal einschätzen. Sie braucht also Wissen darüber, was es an Futter in der Welt gibt, und wie voll die Lager im Bienenstock sind. Außerdem muss sie den Ort der Futterstelle in einer Art geometrischen Gedächtnis speichern. All das teilt sie den anderen Bienen mit ihrem Tanz mit.

Wer geht ein, wer geht aus? Bienen im Blick (2 Bilder)

Das Setup für die Bienenbeobachtung.
(Bild: Tim Landgraf)

TR: Könnte sie nicht einfach mitteilen, welche Strecke sie geflogen ist?

Nein, denn wenn eine Biene durch den Tanz den Ort einer neuen Futterstelle lernt, dort aber nicht genügend Futter findet, fliegt sie nicht erstmal zurück zum Stock. Sie ist in der Lage von diesem neuen Ort aus zu anderen, ihr bereits bekannten Futterstellen zu navigieren. Bienen scheinen also so etwas wie einfache Vektor-Operationen beherrschen, die wir so noch nicht verstanden haben.

TR: Und wo kommt da die Technik ins Spiel?

Wir imitieren den Tanz der Bienen durch einen Roboter. Das ist ein kleines Plastikmodell, der über einen Stab mit mehreren Motoren bewegt wird. Oder wir nehmen beispielsweise eine Drohne, schnallen eine Biene darauf, fliegen durch die Gegend und schauen uns an, wie die Gehirnaktivität der Biene an bestimmten Orten aussieht.

TR: Ich dachte, der Bienentanz wäre längst entschlüsselt.

Es gibt keinen Streit mehr darüber, dass der Tanz den Ort einer Futterstelle kodiert. Was nicht bekannt ist, ist der Zweck vieler Details: Körperbewegungen, Temperaturänderungen, Luftströme, elektrische Felder, die erzeugt werden. Welche dieser Stimuli welche Teile der Information tragen, wissen wir nicht.

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TR: Sie hatten also keinen Erfolg?

Doch, aber nur teilweise. Wir konnten mit dem Roboter zwar Folgeverhalten auslösen. Das haben wir sogar relativ häufig geschafft. Aber es gab Tage, da ist keine einzige Biene der Tänzerin gefolgt. Und wir wissen nicht, woran es lag. Deswegen versuchen wir jetzt in einem neuen Projekt erstmal die soziale Struktur in einem Bienenstock zu verstehen. Wir haben also die Bienen mit einer Art Barcode versehen und verfolgen jetzt vom Schlüpfen bis zum Tod ihre Aktivitäten. Mit Deep Learning analysieren wir dann, welche Interaktionsnetzwerke es im Stock gibt, also wer mit wem was macht. Es scheint nämlich Substrukturen zu geben, Sammlergruppen, die nur bestimmte Orte auf der Karte haben.

TR: Und wie messen Sie die neuronale Aktivität einer Biene auf einer Drohne?

Wir haben ein technisches System mit drei Stufen. In der Kopfkapsel der Biene stecken zwei sehr dünne Drähte. Die enden nach wenigen Zentimetern in einer daumennagelgro0en Platine, auf der ein Vorverstärker sitzt. Der leitet das Signal weiter zu einem Verstärker auf der Platine des Kopters. Dort wird das Signal abgetastet und gespeichert.

TR: Und, hatten Sie Erfolg?

Ja, wir haben sogar starke Signale gesehen, im Flug.

TR: Halten Sie es denn prinzipiell für möglich, dass wir irgendwann mit technischen Hilfsmitteln tatsächlich mit Bienen kommunizieren können?

Ich glaube, das ist sehr gut möglich. Die Frage ist aber: Wie viel Aufwand bedeutet das für einen bestimmten Nutzen? Wäre es nicht einfacher, den Bienenstock einfach an einen besseren Ort zu bewegen?

(wst)