Hintergrund: Die "Welt" färbt sich für AOL ein

Die "Welt" schreibt an diesem Samstag deutsche Pressegeschichte; die Werbeaktion von AOL mit der Tageszeitung ist aber umstritten.

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Von
  • Thomas Maier
  • dpa

Die "Welt" schreibt an diesem Samstag deutsche Pressegeschichte: Erstmals lässt eine Zeitung aus Werbezwecken ihre Titelseite blau einfärben. Damit wird das vom Axel Springer Verlag in Berlin herausgegebene Blatt, das an seinem ehemaligen Standort Hamburg stark verankert ist, für die Umbenennung des Hamburger Volksparkstadions in "AOL Arena" werben. Die Aktion für den weltweit größten Online-Anbieter mit seinem blauen Logo, der dafür eine nicht bekannte Summe zahlt, liegt im Trend. Ungewöhnliche Anzeigenformate werden bei Printmedien beliebter, wie die verlegereigene Zeitungs Marketing Gesellschaft (ZMG) berichtet. Zumindest die farbige Titelseite ist umstritten: Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) befürchtet eine Aufweichung der vorgeschriebenen Trennung von redaktionellem Teil und Anzeigen.

So heißt es im Kodex des deutschen Presserats, "dass die Werbung für den Leser als Werbung klar erkennbar" sein muss. Charlotte Rybak vom Axel Springer Verlag betont, dass die "Welt" auf ihrer blauen Titelseite den "presserechtlichen Anforderungen" mit einem besonderen Hinweis nachkommen werde. Das Blatt sieht die Aktion als Teil eines "innovativen Marketingkonzepts". In der Ausgabe am Samstag wird es in der "Welt" außerdem eine vierseitige, ebenfalls blau unterlegte Werbe-Beilage rund um das Thema Sportsponsoring geben.

Dank neuer Techniken und dem Siegeszug des Vierfarbendrucks sind in den Zeitungen auch bei den Anzeigen neue Formen möglich. Das reicht von Panorama-Anzeigen, die in voller Breite über den Seitenbruch gedruckt werden, bis zu Insel-Anzeigen. Dabei geht es um kleine Anzeigeninseln, die im redaktionellen Teil gestreut sind. Auf den Titelseiten sind inzwischen auch so genannte Eckfeld-Anzeigen denkbar.

"Das sind Entwicklungen, die es vor einigen Jahren noch nicht gab", stellt Jochen Wilhelm von der ZMG-Geschäftsleitung in Frankfurt/Main fest. Wichtig sei jedoch, "geschickt" mit der Werbeplatzierung umzugehen. "Die redaktionellen Teile wie etwa Politik oder Sport müssen für den Leser erkennbar bleiben, damit die Imagestärke Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit der Zeitung bei den Lesern auch erhalten bleibt. Gerade auch die Titelseite hat in dieser Hinsicht eine Schlüsselfunktion. Dies sollten die Werbungstreibenden bei jeder Kampagne beachten."

Der DJV-Bundesvorsitzende Siegfried Weischenberg hält die farbige "Welt"-Seite für "problematisch", weil sie einen Glaubwürdigkeitsverlust für Qualitätsjournalismus bedeute. Weischenberg, Professor für Journalistik in Hamburg, sieht auch einen Zusammenhang zur Anzeigen-Misere in diesem Jahr: "Immer dann, wenn der Werbemarkt schlechter wird, ist auch die Gefahr groß, in der Redaktion oder auch im Anzeigenbereich Dinge zu machen, die man sonst nicht machen würde".

Der Axel Springer Verlag, der mit der vor zwei Jahren neu konzipierten "Welt" die "junge Info-Elite" erreichen will, weist solche Kritik zurück: "Bisher hat die Auflagenentwicklung gezeigt, dass unsere Leser mit ihrer Zeitung überaus zufrieden sind und das zeigt, dass innovative Konzepte honoriert werden", sagt Rybak. "Natürlich sind wir gespannt auf die Reaktionen", räumt sie ein. Dass diese zumindest in Hamburg negativ ausfallen könnten, ist nicht ausgeschlossen: In der Hansestadt ist die Umbenennung des HSV- Stadions sehr umstritten, die Fans sind dagegen regelrecht Sturm gelaufen. (Thomas Maier, dpa) / (jk)