Oberster Datenschützer kritisiert Sicherheitsbehörden und Facebook

Vier Monate ist der neue Datenschutzbeauftragte erst im Amt. Trotzdem hat sich bei Ulrich Kelber schon reichlich Ärger angestaut.

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EU-Datenschutzregeln

(Bild: dpa, Sebastian Gollnow)

Lesezeit: 3 Min.
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Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hat große Bedenken gegen einige Vorhaben der Bundesregierung im Bereich Migration und Innere Sicherheit. Bei der Vorstellung des Tätigkeitsberichts seiner Behörde am Mittwoch in Berlin äußert Ulrich Kelber auch massive Kritik an Facebook. Die Einführung der Datenschutzgrundverordnung vor einem Jahr hält der SPD-Politiker dagegen, trotz anfänglicher Schwierigkeiten, für eine Erfolgsgeschichte. Kelber hatte im Januar die Nachfolge der früheren Datenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff (CDU) angetreten.

Die Sicherheitsbehörden haben aus Sicht von Kelber jetzt schon genügend Befugnisse zum Sammeln, Speichern und zum Austausch personenbezogener Daten. Pläne und Gesetzesvorhaben, die das noch weiter ausweiten wollen, sieht er kritisch. Er sagt: "Gerade vor dem Hintergrund einer kontinuierlich zurückgehenden Kriminalitätsrate ist diese Entwicklung für mich unverständlich." Kelber fordert eine "Sicherheitsgesetz-Pause in Deutschland, während der sich auf die Behebung bestehender Defizite konzentriert wird".

Als ein Beispiel für diesen "atemlosen Wettbewerb um immer neue Sicherheitsgesetze, immer neue Befugnisse, immer höhere Strafen" nannte er den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein "Zweites Datenaustauschverbesserungsgesetz". Er soll Jugendämtern und verschiedenen weiteren Behörden einen erleichterten Zugriff auf das Ausländerzentralregister (AZR) verschaffen. Über den Entwurf wird derzeit noch im Bundestag beraten. Er sieht unter anderem vor, dass alle öffentlichen Stellen die AZR-Nummer, die den Datensatz eines Ausländers eindeutig kennzeichnet, künftig im Datenaustausch untereinander nutzen. Dadurch sollen insbesondere bei fehlenden Identitätspapieren und unklaren Schreibweisen von Namen Verwechslungen ausgeschlossen werden.

Bauchschmerzen bereitet Kelber das im Juli 2018 abgeschlossene Projekt zur Gesichtserkennung am Berliner Bahnhof Südkreuz. Dabei sind Fotos von Freiwilligen, die in einer Datenbank hinterlegt waren, mit Videoaufnahmen aus dem Bahnhof automatisch abgeglichen worden. Die Bundespolizei und Innenminister Horst Seehofer (CSU) haben die Erprobung von Software zur Gesichtserkennung positiv bewertet.

Facebook arbeitet nach Einschätzung von Kelber "an vielen Stellen nicht datenschutzkonform". Ein Beispiel sind die sogenannten Fanpages. Den Datenschutzbeauftragten stört auch, dass nicht nur der Betreiber eine Information erhält, wenn jemand eine Seite oder einen Beitrag mit "gefällt mir" markiert, sondern auch Facebook selbst.

Auch der potenzielle Datenaustausch zwischen WhatsApp und Facebook muss Kelber zufolge kritisch hinterfragt werden – vor allem die Erhebung von Telefonnummern durch Adressbuch-Uploads. Denn auf diese Weise könne das Unternehmen grundsätzlich alle auf dem Mobiltelefon hinterlegten Kontaktdaten eines Nutzers verarbeiten. Dass dieses Thema viele Nutzer umtreibt, ließe sich an der hohen Zahl von Anfragen und Beschwerden ablesen, die dazu beim Datenschutzbeauftragten eingehen. Graduelle Verbesserungen habe es bei Facebook immerhin im Umgang mit Wahlwerbung gegeben.

Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die am 25. Mail 2018 in Kraft getreten ist, bezeichnete Kelber "Zeitenwende im Datenschutz". Die von Kritikern befürchtete Abmahnwelle sei hingegen ausgeblieben. Ein Großteil der Kritik war aus seiner Sicht ohnehin aufgrund von "plakativen Falschmeldungen" zustande gekommen. Auch heute dürfen noch Fotografien angefertigt und Namen an Klingelschildern angebracht werden, sagte Kelber.

Durch die Debatte über das neue Datenschutzrecht war die Zahl der Anfragen und Beschwerden beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit 2018 deutlich angestiegen. Nach dem 25. Mai kamen dort 6507 allgemeine Anfragen und 3108 Beschwerden an, mehr als doppelt so viel wie im gesamten Jahr 2017. (Mit Material der dpa) / (axk)