re:publica: EU-Kommissarin will Konzerne zur Datenfreigabe zwingen

Margrethe Vestager sieht die Zerschlagung von IT-Konzernen nur als allerletztes Mittel. Stattdessen sollen die Firmen Daten mit dem Wettbewerb teilen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 50 Kommentare lesen
re:publica: EU-Kommissarin will Konzerne zur Datenfreigabe zwingen

(Bild: Torsten Kleinz/heise online)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Torsten Kleinz
Inhaltsverzeichnis

Die Dominanz von Google, Apple, Facebook und Amazon ist immer wieder Thema auf der Netzkonferenz re:publica in Berlin. Am Mittwoch sprach sich die EU-Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager dafür aus, die Wettbewerbsaufsicht in Europa zu stärken. Dazu sollen neue Mittel ausprobiert werden, die den Wettbewerb wieder herstellten. So könnten dominierende Unternehmen dazu verpflichtet werden, ihre Daten mit kleineren Konkurrenten zu teilen.

Die Politikerin zeichnete dabei ein düsteres Bild: "Es ist an der Zeit, dass unsere Demokratien den Weg in die Zukunft gestalten, denn ansonsten lassen wir dies in den Händen der Konzerne, die völlig außerhalb der demokratischen Kontrolle sind", sagte Vestager in Berlin. Der rapide Wandel im Digital-Bereich habe Auswirkungen auf alle Lebensbereiche – von der Digital-Wirtschaft selbst über die Landwirtschaft bis zur Pflege persönlicher Freundschaften.

Obwohl die Kommissarin mit den von ihr verhängten Milliardenstrafen gegen US-Digitalkonzerne immer wieder internationale Schlagzeilen machte, gestand sie eine gewisse Machtlosigkeit ein, wenn es darum geht einen fairen Wettbewerb wiederherzustellen. So habe Google etwa die bereits vor zwei Jahren darauf verzichtet, die eigenen Werbungen bei Adsense for Search zu bevorzugen. Dennoch habe der Wettbewerb in diesem Bereich nicht wieder erholt. "Es dauert mitunter sehr kurze Zeit einen Markt zu zerstören, aber lange Zeit, bis sich der Wettbewerb wiederherstellt", erklärte Vestager.

Vestager teilte die Kritik von Cory Doctorow nicht, der zuvor in Berlin dafür plädiert hatte, die Macht und die Größe der Digital-Konzerne zu beschneiden, statt ihnen Aufgaben wie die Durchsetzung des Urheberrechts zu übertragen. So verwies sie darauf, dass eine Zerschlagung eines Konzerns über Jahre vor Gericht ausgehandelt werden müsse, was dem Wettbewerb in dieser Zeit nicht helfe.

Stattdessen schlägt Vestager vor, sich auf die den Unternehmen zur Verfügung stehenden Daten zu konzentrieren. "Der Zugang zu Daten erlaubt es Unternehmen, wettbewerbsfähig zu sein", erklärte Vestager. Insofern sei es eine vielversprechende Möglichkeit, Unternehmen dazu zu verpflichten, ihre internen Daten auch dem Wettbewerb zur Verfügung zu stellen.

Als Beispiel verwies die Politikerin auf die laufenden Untersuchungen gegen den US-Handelskonzern Amazon, der im Verdacht steht, die Händler auf der eigenen Plattform Amazon Marketplace mit Hilfe der dort anfallenden Daten gezielt auszubooten. Ob Amazon tatsächlich ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist, sei nach dem jetzigen Stand nicht klar. Das Grundkonzept des Amazon Marketplace werfe aber Fragen auf. So trete der Anbieter einer Sportliga auch nicht mit einem eigenen Team an.

Wie konkret ein solche Datentransfer aussehen könne, konnte die Kommissarin nicht beschreiben. Sie verwies aber darauf, dass die Datenschutz-Grundverordnung einem solchen Transfer großer Datenpools nicht prinzipiell entgegenstünde.

Die Kommissarin verteidigte in Berlin auch die bei den Besuchern der re:publica äußerst unbeliebte EU-Urheberrechtsreform. So habe man sich dazu entschlossen, größeren Unternehmen generell mehr Verantwortung zuzuweisen, da man den Unternehmen nicht das Wachstum untersagen könne, wenn sie gute Produkte anbieten. Ob die Urheberrechtsreform zu den gewünschten Ergebnissen und einer besseren Entlohnung von Inhalten führe, müsse nach Inkrafttreten überprüft werden, um die Regelung gegebenenfalls wieder anzupassen. (axk)