Einsames Vergnügen

Probefahrt: Polaris RZR RS1

Polaris hat mit dem RZR RS1 eine neue Fahrzeugkategorie geschaffen. Der „Razor“ hat nur einen Sitz und ist daher kein Side-by-side mehr, der Fahrer wird zum Einzelkämpfer. Obwohl der RS1 für den extremen Offroad-Einsatz konzipiert wurde, besitzt er eine Straßenzulassung

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Polaris RZR RS1 17 Bilder

(Bild: Benjamin Kramer)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Polaris hat mit dem RZR RS1 eine neue Fahrzeugkategorie geschaffen. Der „Razor“ hat nur einen Sitz und ist daher kein Side-by-side mehr, der Fahrer wird zum Einzelkämpfer. Obwohl der RS1 mit Überrollkäfig und Allradantrieb für den extremen Offroad-Einsatz konzipiert wurde, besitzt er eine Straßenzulassung.

Andreas Rosenlöcher findet noch beruhigende Worte am Eingang der Motocross-Strecke: „Lass es einfach langsam angehen“. Mit weichen Knien klettere ich auf den Sitz. Das Gefährt unter mir hat einen Liter Hubraum und 110 PS. Nein, es ist kein Motorrad, mein Fahrzeug hat vier Räder, zuschaltbaren Allradantrieb, kein festes Dach, aber einen soliden Überrollkäfig, einen Sicherheitsgurt und eindrucksvolle 534 Millimeter Federwege. Polaris hat mit dem RZR RS1 eigentlich eine neue Fahrzeugklasse geschaffen. Es ist kein Side-by-side wie der schon länger produzierte RZR XP 1000 EPS, der RS1 besitzt nur einen Sitz in der Mitte. Die Bezeichnung Mono-Side-by-side wäre widersinnig, Single-Seater trifft es wohl eher. RZR steht übrigens als Kürzel für „Razor“, also Rasierklinge. Das soll sicher martialisch klingen, sorgt bei mir aber eher für Nervosität ...

Spontaner Vortrieb des Zweizylinders

Die winzige, scheibenlose Tür klappt zu – sie dient ohnehin nur dazu, dass nicht zuviel Dreck auf den Fahrer spritzt. Vor mir ein kleines Lenkrad, unten je ein Pedal für Gas und Bremse, neben meinem rechten Ellenbogen der Wählhebel für die CV-Automatik. Ich drehe den Zündschlüssel und der 999-cm3-Zweizylinder erwacht in meinem Rücken zum Leben. Der Sound ist nicht übertrieben laut, macht aber unmissverständlich klar, dass hier viele Pferdestärken zum Galopp bereit stehen. Tief durchatmen und den Wahlhebel auf „H“ stellen. Ein zaghaftes Streicheln des Gaspedals wird spontan in Vortrieb umgesetzt. Zum Glück funktioniert die direkt übersetzte Lenkung leichtgängig, von Anschlag zu Anschlag bedarf es nur etwas mehr als einer Umdrehung des Lenkrads. Ich habe noch keine dreißig Meter auf der holprigen Piste zurückgelegt, als sich eine Wand vor mir auftut. Die Steilauffahrt weist vielleicht vier Meter Höhenunterschied auf, aber sie erscheint mir so unbezwingbar wie das Matterhorn. Worauf habe ich mich da bloß eingelassen?

Kompromisslose Reifen

Ich weiß, dass man die Steilauffahrt hochkommen kann, denn der mehrfache Deutscher Meister Andreas Rosenlöcher hat sie auf der Einführungsrunde in seinem Side-by-side mit mir auf dem Beifahrersitz genommen als wäre sie nur ein Maulwurfshügel. Also, Zähne zusammenbeißen und Gas! Mit 97 Nm Drehmoment drückt der Motor den RS1 lässig die Auffahrt hoch. Hoppla, das ging ja viel einfacher als gedacht! Dahinter folgt eine langgezogene S-Kurve mit anschließender 180-Grad-Kehre. Das grobe Profil der 29-Zoll-Reifen krallt sich in den losen Boden und es geht viel schneller vorwärts als mir lieb ist. Vor der Kehre trete ich beherzt auf die Bremse und der Polaris steht fast augenblicklich. Die Bremsleistung ist hervorragend und ich rolle in völlig unangemessener Schrittgeschwindigkeit durch die Kurve. Doch Andreas hat mir bei der Einführung noch erklärt, dass es auf der Motocross-Strecke für den RZR eigentlich nur zwei Möglichkeiten in den Kurven gibt: Entweder ganz langsam oder im Drift – und empfahl mir die erste Variante zu wählen, während er das Biest querstehend durch die Kurve schickte.

Die langen Federwege schlucken fast jede Unebenheit

Die erste Abfahrt taucht vor mir auf, eigentlich nicht tief, aber steil. Andreas würde sie wahrscheinlich mit Vollgas nehmen und die folgende Gerade komplett im Flug zurücklegen. Ich hingegen falle quasi den Hang hinunter, doch unten folgt kein derber Schlag ins Kreuz, denn der RS1 verfügt über derart lange Federwege, dass sich so ziemlich alles anfühlt als wäre dort glatt asphaltiert.