Interim Manager: Gern gesehen und bald wieder weg

Manager auf Zeit sind Führungskräfte im Feuerwehreinsatz: Sie werden geholt, wenn Not am Mann ist, derzeit auch gerne bei Digitalisierungsprojekten.

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Interim Manager: Gern gesehen und bald wieder weg

(Bild: kurhan / Shutterstock.com)

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Von
  • Peter Ilg
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Mathias Hess hat freiwillig seinen letzten Job gekündigt. Auf das Wort "freiwillig" legt er großen Wert. Der 48-jährige war verantwortlich für den IT-Service in einem mittelständischen Unternehmen, das Branchensoftware entwickelt, hatte etwa 75 Mitarbeiter und eine Umsatzverantwortung für rund 75 Millionen Euro. Mancher würde sagen: Der Mann hat Karriere gemacht. Wollte er auch, aber es hat nicht dauerhaft funktioniert. "Die IT-Strategie der Firma war nicht toll und mein Vorgesetzter wenig sozial kompetent, um es diplomatisch auszudrücken." Hess hatte schon einige Festanstellungen hinter sich und die immer einen Haken. Im vorletzten Job arbeitete er eng mit einem Interim Manager zusammen. Der führt dort die Geschäfte und sagte zu Hess: "Das kannst du auch." Heute ist auch Hess Manager auf Zeit.

Seit Jahren entscheiden sich immer mehr ehemalige Führungskräfte der oberen Führungsebene für eine freiberufliche Managementtätigkeit. "In diesem Jahr werden in Deutschland erstmals über 10.000 Interim Manager ihre Dienste anbieten", sagt Marei Strack, promovierte Maschinenbauingenieurin, seit 20 Jahren Interim Managerin und Vorstandsvorsitzende der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management.

In den beiden zurückliegenden Jahren sei das Wachstum besonders stark gewesen. „Wegen der wirtschaftlich guten Lage sind die Firmen ausgelastet, schaffen die zusätzlichen Digitalisierungsprojekte deshalb nicht mit eigenen Leuten und holen sich dafür Externe“, begründet Strack. Derzeit werden Interim Manager insbesondere für leitende Funktionen in Digitalisierungsprojekten gebucht.

Manager auf Zeit sind gefragt wie nie, belegt eine Umfrage des Verbands. Von 2011 bis 2018 hat sich deren Anzahl verdoppelt. Dennoch waren sie im letzten Jahr nahezu vollständig ausgelastet, hatten einen Tagessatz von durchschnittlich 1.150 Euro und waren gewöhnlich neun Monate in einem Projekt. Die Automobilbranche ist mit einem Anteil von 20 Prozent der größte Kunde, dann folgen der Maschinen- und Anlagenbau.

"Konservative Branchen wie Banken und Versicherungen sind sehr zurückhaltend, weil sie Externen keinen Einblick in ihre Geschäfte geben wollen“, begründet Strack. Wenn Interim Manager beauftragt werden, dann als General Manager, etwa für die Gesamtverantwortung einer Geschäftseinheit. Deshalb haben die meisten einen kaufmännischen Hintergrund, sind Wirtschaftsingenieure und weniger Experten wie Informatiker.

Hess hat bei Siemens eine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen, sich dann an einer Abendschule zum staatlich geprüften Betriebswirt weiter qualifiziert. Später wechselte er zu Nixdorf, als Siemens den Computerhersteller Mitte der 1990er Jahre übernahm. "Dort wurden auch Kaufleute aus Not an Fachpersonal für IT-Projekte genommen", erinnert sich Hess. So kam er zur IT, ist aber kein Techniker geworden, sondern Manager, der die Fäden zusammenhält. Siemens Nixdorf folgten mehrere Stationen in anderen Unternehmen in verantwortlichen Positionen, meist im IT Service.
Seit gut drei Jahren ist er nun Interim Manager.

„Ich bin immer Feuerwehrmann, werde gerufen, weil es lichterloh brennt.“ Und gleich ins kalte Wasser geworfen. Üblicherweise werden neuen Managern in einem Unternehmen 100 Tage zugestanden, um die Richtung vorzugeben. "Uns bleiben oft keine zehn Tage“, so Hess. Erstaunlicherweise bekomme man als Externer wie selbstverständlich alle notwendigen Informationen für die Arbeit, was ihn immer wieder überrascht. Aber ohne könnte er seinen Job auch nicht machen, außerdem unterschreiben Interim Manager stets eine Geheimhaltungsvereinbarung.

Bislang war er in allen Mandaten gerne gesehen, "weil ich die Leute entlaste“. Aktuell ist er im fünften Projekt: ein großes mittelständisches Unternehmen der Halbleiterindustrie überträgt seine IT an ein externes Unternehmen. Hess ist für ein Meldesystem an den IT-Dienstleister und das Change Management zuständig.

Üblicherweise sind Interim Manager von Montag bis Freitag beim Kunden und kommen nur über das Wochenende heim. Die Frau von Hess bezeichnet sich daher manchmal als "alleinerziehende Mutter“. Und die hohen Tagessätze relativieren sich nach Meinung von Hess, „weil man seine Krankenkassenbeiträge selbst bezahlen und für die Rente etwas beiseite legen muss. Im Urlaub rollt nicht der Rubel und auch bei Krankheit nicht.

Es gibt zwei Arten von Mandaten fürs Interim Management. Die eine ist eine vakante Stelle, die nicht besetzt ist, aber dringend jemand gebraucht wird. Interim Manager füllen diese Lücke, bis ein fester Nachfolger gefunden ist. Im anderen Fall werden sie für eine Projektleitung engagiert. Wenn das abgeschlossen ist, geht auch der Projektmanager. "Wir kommen, um zu gehen“, sagt Strack. Auch deshalb sind Interim Manager bei ihren Kunden gerne gesehen: sie sind keine Konkurrenz für andere Führungskräfte, müssen keine Seilschaften bilden und pflegen und können daher ihren Job viel effizienter machen.

„Ein guter Interim Manager muss ein guter Manager sein, der in dieser flexiblen Form arbeiten kann und will“, beschreibt Strack den idealtypischen Manager auf Zeit. Den Unterschied zwischen Interim Manager und Freelancer erklärt sie so: „Beide sind selbständig, aber Freelancer leisten operative Projektarbeit, meistens auf Basis eines Werkvertrages.“ Daher schulden sie ein Ergebnis, das allein sie erbringen. Interim Manager dagegen leiten Teams und haben strategische Aufgaben.

Hess wurde bislang in jeder seiner Linienaufgabe angeboten, dazubleiben und die vakante Stelle zu übernehmen. "Bislang war nichts passendes dabei“, sagt er. Eigentlich möchte er Interim Manager bleiben. Was ihm fehlt, sind mittel- und langfristige Perspektiven und festes Mitglied eines Teams zu sein. "Obwohl ich stets willkommen und fast ein Jahr in den Firmen bin, bleibe ich ein Externer.“ Privates ist daher tabu, die Arbeit findet allein auf fachlicher Ebene statt. Bekanntlich lebt der Mensch aber nicht vom Brot allein. (axk)