Die Politik des Ausgeflippten

Huawei war erst der Anfang: Der Handelskrieg zwischen China und den USA beendet eine Ära der technischen Zusammenarbeit.

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Dass Google auf Druck der US-Regierung dem chinesischen Telecom-Riesen Huawei die Android-Lizenz entzieht, ist bemerkenswert: Google dürfte auf diese Weise beträchtliche Werbeeinnahmen durch die Lappen gehen. War die US-Regierung bislang doch eher für eine unternehmerfreundliche Politik mit niedrigen Steuersätzen und gewerkschaftsfeindlichen Verordnungen bekannt – im Dienste einer wie auch immer definierten "nationalen Sicherheit" kennt sie nun offenbar keine Verwandten mehr.

Der Kollege Jörg Wirtgen weist dankenswerter Weise jedoch auf einen Umstand hin, der diese verblüffende Radikalität erklären könnte: Ohne Zugriff auf Android, meint er, würde der Marktanteil, den Huawei außerhalb Chinas hat, schon bald von anderen Wettbewerbern geschluckt. Und Google ist egal, ob es sein Geld von Huawei oder Samsung bekommt.

Schulterzucken ist dennoch nicht angesagt, denn die Geschichte könnte sich schon bald als Spitze des Eisbergs erweisen: Bereits im März wies China-Experte Mikko Huotari im Interview mit TR darauf hin, dass wir bei dieser Entwicklung "erst am Anfang stehen", und die "gesamte europäische Innovationskooperation mit China unter Feuer" geraten könnte.

Mit anderen Worten: Die Sicherheitsbedenken der USA rund um 5G sind nur ein Aufhänger. Der neue kalte Krieg zwischen den USA und China stellt gleichzeitig globale Produktionsketten und internationale technische Zusammenarbeit zur Disposition. Das ist nicht weniger als eine Zeitenwende: Die Zeiten, in denen "grober Konsens und funktionierender Code" den Kitt einer globalen Community gebildet haben, in denen man nur eine gute Idee brauchte, die irgendjemand, irgendwo schon in Hardware verwandeln kann – diese Zeiten neigen sich dem Ende zu.

Kori Shake diskutiert im "Atlantic" die politischen Hintergründe – und die sind nicht besonders beruhigend: Demnach geht es der US-Regierung nicht nur darum, die Handelsbilanz mit China zu verbessern. Es geht um einen grundsätzlichen Systemwettbewerb. Ein Wettbewerb, in dem es keine Neutralität gibt – nur Freunde oder Feinde. Trumps Handelsminister Ross ist laut Atlantic gar davon überzeugt, dass der Handelskrieg in China letztendlich zu sozialen Unruhen und zum Sturz der KP führen könnte.

"Madman Politics" – die Politik des Durchgeknallten – nennt man das in den USA. Angeblich soll die Idee auf Richard Nixon – ja, der Nixon – zurückgehen, der gesagt haben soll, man könne die andere Seite manchmal zu Zugeständnissen zwingen, indem man "den Verrückten" spiele, der zu allem fähig sei, insbesondere dazu, den roten Knopf zu drücken. Man kann nur hoffen, dass der Name nicht wirklich Programm ist.

(wst)