Zoff um Jugendmedienschutz: FSM klagt gegen Entzug der JusProg-Zulassung

Der Streit um das einzig zugelassene Jugendschutzprogramm geht vor Gericht. Deutsche Content-Anbieter wehren sich gegen mögliche massive Einschränkungen.

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Von
  • Torsten Kleinz
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Die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) klagt vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen einen Bescheid der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Das gemeinsame Jugendschutzgremium der Länder hatte in der vergangenen Woche die Zulassung des Jugendschutzprogramms "JusProg" aufgehoben und damit den bisherigen Kompromiss zum Online-Jugendschutz in Deutschland aufgekündigt.

JusProg war bisher das einzige Jugendschutz-Programm, das mit offizieller Zulassung die Vorgaben des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) erfüllte. Dank der Existenz des Programmes konnten Anbieter von Telemedien eine regulatorische Abkürzung nehmen, um den gesetzlichen Vorgaben des Jugendschutzes zu entsprechen. Statt Jugendliche per Zugangssperren zu blockieren oder brisante Inhalte wie im Fernsehen nur nachts auszustrahlen, reichte es aus, Plattformen mit dem Label age-de.xml zu markieren. Eltern, die ihre Kinder bei der Internetnutzung schützen wollten, konnten eine entsprechende Software installieren, die die Altersangaben auslesen und entsprechende Inhalte sperren konnte. Die Anbieter mussten hierzu lediglich eine entsprechende Textdatei auf ihre Server hochladen.

Doch in der vergangenen Woche hat die KJM die Kehrtwende beschlossen. Die Vertreter der Landesjugendschutzbehörden haben entschieden, dass JusProg nicht mehr den Vorgaben genüge, obwohl die FSM die Zulassung gerade erst verlängert hatte. Der ausschlaggebende Grund: Das Programm ist in der offiziell zugelassenen Version nur auf Windows lauffähig, während Jugendliche oft über Mobilgeräte und Smartphones ins Internet gelangen.

"Eine Eignung als Jugendschutzprogramm setzt voraus, dass dieses plattform- und geräteübergreifend funktioniert und sich am Nutzungsverhalten der Anwender ausrichtet", erklärte der KJM-Vorsitzende Wolfgang Kreißig zur Begründung. Andernfalls seien Kinder und Jugendliche gerade dort ungeschützt, wo sie sich in ihrem digitalen Alltag aufhalten. Im Ergebnis sei eine signifikante Schutzlücke entstanden, die mit dem Ziel eines effektiven Jugendschutzes nicht vereinbar sei.

Die rechtliche Folge des Schritts der amtlichen Jugendschützer: Da offiziell keine Software mehr existiert, die die Alterskennzeichnung ausliest, gelten solche Markierungen nicht mehr als hinreichender Jugendschutz. Die Anbieter müssen sich um andere Lösungen bemühen. Wie viel Zeit sie dazu haben, ist allerdings unklar.

Nach der Zustellung des Bescheids durch die zuständige Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb) wären Anbieter solcher Inhalte ohne entsprechende Blockaden eigentlich bereits gesetzeswidrig. Die KJM hat den Betroffenen aber Gespräche angeboten. Bei den laut Gesetz für Jugendliche zu sperrenden Inhalten geht es nicht nur um Pornografie, sondern um alle Inhalte, bei denen eine "entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung" anzunehmen ist – etwa Gewaltdarstellungen oder andere sexuelle Inhalte.

Die FSM will sich diesen Schritt nicht bieten lassen. Unterstützt von Branchenverbänden wie dem Verband Privater Medien Vaunet und dem Verband der deutschen Gamesbranche Game hat die FSM am Mittwoch angekündigt, gegen den Bescheid zu klagen und gleichzeitig vor Gericht aufschiebende Wirkung zu erreichen, sodass der JusProg-Kompromiss vorerst weiter geltendes Recht bleibt.

So macht die FSM in einem Statement geltend, dass die KJM willkürlich die Anforderungen geändert habe. Schließlich sei JusProg im Februar 2012 erstmalig durch die Medienanstalt Hamburg Schleswig-Holstein anerkannt worden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für diese Anerkennung hätten sich seither nicht verändert, die Software sei in der Praxis aber deutlich besser geworden.

Eine Verpflichtung zur Bereitstellung eines plattformübergreifenden Programms ergebe sich nicht aus dem Gesetzestext. "Die KJM vermischt mit ihrer Entscheidung die gesetzlichen Pflichten, die für Anbieter von Online-Inhalten gelten, mit den Anforderungen, die das Gesetz an Jugendschutzprogramme stellt", schreibt die FSM.

Auch der Verein JusProg, der das Programm herausgibt, argumentiert gegen den Schritt der KJM, der letztlich das Aus des Programms bedeuten würde. "Wir engagieren uns mit unserem einzigartigen Jugendschutzprogramm seit Jahren für den Schutz von Kindern und Jugendlichen in Deutschland, weit über die Vorgaben des Gesetzgebers hinaus", erklärt der JusProg-Vorsitzende Stefan Schellenberg. Das Programm filtert nicht nur mit dem age-de.xml-Label gekennzeichnete Websites. Sie enthält zudem eine zwei Millionen Einträge starke Filterliste, mit der verhindert wird, dass sich Kinder und Jugendliche ausländische Porno- und Gewaltangebote ansehen, für die das deutsche Jugendschutzrecht nicht gilt.

Mit dem Scheitern von JusProg wären auch in diesem Bereich neue staatliche Eingriffe zu erwarten. So brachte der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) Tobias Schmid auf der Media Convention Berlin Netzsperren auf Provider-Ebene zur Durchsetzung deutscher Medienvorschriften zur Sprache. Im kommenden Jahr soll ein grundsätzlich überarbeiteter Medienstaatsvertrag verabschiedet werden, der ebenfalls strenge Vorgaben zum Jugendschutz enthalten soll. (olb)