Pkw-Maut wird zum Minusgeschäft für den Steuerzahler

Analysten im Auftrag der grünen Bundestagsfraktion legen nahe, dass sich Verkehrsminister Andreas Scheuer den geplanten Straßenzoll schönrechnet.

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Pkw-Maut wird zum Minusgeschäft für den Steuerzahler

(Bild: hpgruesen)

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Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) erhärtet die Befürchtungen, dass die vorgesehene Pkw-Maut in Deutschland zum Minusgeschäft für den Staat wird. Ein Defizit von 10 Millionen bis 155 Millionen Euro in den ersten Jahren der Einführung sei wahrscheinlich, heißt es in einer am Freitag veröffentlichten Studie für die grüne Bundestagsfraktion. Aufgrund vieler Ungenauigkeiten und bislang unberücksichtigter Risiken sei ein noch höherer Fehlbetrag nicht auszuschließen.

Aus fiskalischer Sicht hat die vom Bundestag 2017 beschlossene überarbeitete Infrastrukturabgabe laut der Analyse auch langfristig "kein großes Aufkommenspotenzial". Auch ökologisch verpasse die Maut ihre Ziele. Insgesamt habe der Gesetzgeber die Chance verpasst, "das Instrument auf die Klimaziele 2030 und 2050 hin auszurichten".

Die Bundesregierung plant, parallel zur Maut alle Euro-6-Pkw in Deutschland über die Kfz-Steuer zu entlasten. Da aber 99 Prozent aller neu zugelassenen Fahrzeuge bereits diese Norm erfüllen, halten es die Forscher aber für fraglich, wieso diese dominante Technik noch weiter gefördert werden sollte. Die vorgesehene Entlastung werde die Nettoeinnahmen über die Abgabe mehr als aufzehren.

Dazu kommt laut dem FÖS, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) die Zahl der Vignettenverkäufe mit jeder Prognose höher ansetze und dabei stark auch auf ausländische Autofahrer baue. Diese dürften sich aber genau überlegen, ob sie noch mit dem Auto nach Deutschland fahren werden. Zumindest der kleine Grenzverkehr könnte aufgrund der Maut einbrechen.

Ferner habe das Verkehrsressort die Kosten nicht ausreichend berücksichtigt, die nötig sind, um das System in Gang zu bringen. Bisher seien 128 Millionen Euro in die Vorbereitung der Maut geflossen. Zudem habe Scheuer bereits Aufträge im Wert von über 2 Milliarden Euro an die Unternehmen vergeben, die die Gebühren erheben und das System kontrollieren sollen. Als Betreiber ist ein Konsortium aus dem Ticketverkäufer CTS Eventim und dem österreichischen Spezialisten Kapsch TrafficCom vorgesehen.

Für grüne Verkehrs- und Haushaltspolitiker steht damit fest, dass die Pkw-Maut "ein teures und sinnloses Stammtischprojekt" sei. Selbst wenn Scheuer es mit seiner Schar teurer Berater schaffen sollte, die das System im Oktober 2020 an den Start zu bringen, werde es vor allem teuer für die Steuerzahler.

Die Bundesregierung weist die Ergebnisse zurück und schätzt bisher, dass die Infrastrukturabgabe zu einer Nettomehreinnahme von 524 Millionen Euro pro Jahr führt. Sie erwartet 846 Millionen Euro an Einnahmen durch ausländische Fahrer, von denen unter anderem rund 247 Euro Millionen an Systemkosten und 110 Millionen für Steuerrabatte abgezogen werden müssten.

Dass die Zahlen geschönt sein könnten, glauben auch andere Sachverständige. Der Verkehrswissenschaftler Ralf Ratzenberger etwa rechnet schon im ersten Jahr der Mautpflicht mit einem Minus von 71 Millionen Euro im Staatstopf, das in Folge aufgrund der Steuerentlastungen noch steigen dürfte. Der Forscher sowie das FÖS kritisierten die Finanzpläne der Regierung in ihren unterschiedlichen Stadien bereits mehrfach. Am 18. Juni will der Europäische Gerichtshof (EuGH) sein Urteil bekanntgeben, ob die Infrastrukturabgabe mit dem EU-Recht vereinbar ist. (anw)