Krebs über das Blut erkennen

Forscher wollen Tumore künftig mit einfachen Bluttests erkennen. Aktuell läuft wieder ein großer Versuch.

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Krebs über das Blut erkennen

(Bild: Photo by Hush Naidoo on Unsplash)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Antonio Regalado
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Krebsforscher Bert Vogelstein hat schon viele Preise für seine Arbeit an genetischen Mutationen gewonnen, die Krebs auslösen können. Was er jedoch immer entdecken wollte, war eine Methode, diese Mutationen frühzeitig zu erkennen, dann nämlich, wenn Tumore noch relativ leicht behandelt werden können.

Nun hat sich eine Gruppe von Investoren dazu entschlossen, 110 Millionen US-Dollar in eine Firma zu stecken, die Vogelsteins Traum umsetzen soll. Sie heißt Thrive Earlier Detection und ist nur eines von mehreren Start-ups, das versucht, Screeningtests zu entwickeln, die Krebs mithilfe einer einfachen Blutuntersuchung erkennen können. Ein Konkurrenzunternehmen, Grail, hat sogar mehr als eine Milliarde Dollar eingeworben, um einen universellen Tumorerkennungstest zu schaffen.

Das Blutscreeningkonzept, auch "flüssige Biopsie" genannt, basiert zu großen Teilen auf früheren Forschungsarbeiten von Vogelstein und seinem Kollegen Kenneth Kinzler von der Johns Hopkins University. Die Idee basiert auf der Tatsache, dass Tumore voller Mutationen steckende DNA und spezielle Proteine in den Blutkreislauf abgeben. Diese lassen sich manchmal auch bei jemandem erkennen, der keine äußeren Anzeichen von Krebs zu haben scheint.

Zusammen mit dem Onkologen Nickolas Papadopoulos beschrieben Vogelstein & Co. im letzten Jahr einen Bluttest, der nach 16 Genen und acht Proteinen sucht, über die sich mehrere Krebserkrankungen erkennen lassen – darunter im Magen, in den Eierstöcken und der Leber. Das funktionierte bei Menschen, von denen bereits bekannt war, dass sie erkrankt waren.

Nun ist die Gruppe dabei, eine Studie zu beenden, bei denen 10.000 äußerlich gesunde Patientinnen im Alter von 65 bis 75 auf versteckte Tumore untersucht werden. Entdeckt der Bluttest Krebs, wird ein vollständiger Körperscan nach dem PET-Verfahren vorgenommen. Die Untersuchung findet beim Gesundheitsversorger Geisinger in Pennsylvania statt.

Die dortigen Ärzte berichten, dass sie so tatsächlich Tumore entdeckt und behandelt hätten. Doch es wird noch mindestens ein Jahr dauern, bis die Ergebnisse veröffentlicht werden. "Es gibt einige anekdotische Beobachtungen aber uns ist auch klar, dass wir vermeiden müssen, die Technik als etwas zu verkaufen, was sie nicht ist. Es ist zu früh, um zu sagen, dass sie alle Versprechen einhalten kann", so Adam Buchanan, ein beteiligter Doktor bei Geisinger, der zu den Projektleitern gehört.

Screeningtests werden bewertet, indem man untersucht, wie viele echte Krebsfälle entdeckt werden und wie oft es Fehlalarme gibt. Damit das funktioniert, müssen mindestens 20 Prozent der tatsächlichen Tumore aufgefunden werden, wie Vogelstein sagt. "Ich kriege darauf dann immer die Frage: Warum schafft Ihr nicht 70 Prozent?" Doch in Wahrheit sei es bereits ein großer Fortschritt, nur jeden fünften der versteckten Krebsfälle frühzeitig zu erkennen. Damit ließe sich durch eine entsprechende Behandlung mehr erreichen, als mit nahezu jeder neuen Medikation, die das Leben typischerweise nur um wenige Wochen verlängt.

Problematischer ist allerdings, wenn der Test fehlerhafterweise behauptet, es sei Krebs vorhanden. Jeder Screeningtest, der für die Massenbevölkerung gedacht ist, muss hier eine Rate von weniger als einem von 100 Fällen aufweisen, meint Vogelstein. "Wenn man viele Fehltreffer diagnostiziert, ergeben sich Folgeuntersuchungen, die unnötig sind." Diese verursachten sowohl emotionale als auch finanzielle Kosten – von möglichen Nebenwirkungen ganz abgesehen.

Die Bluttestidee von Vogelstein und seinem Team wurde anfangs von einer Firma namens PapGene kommerzialisiert, die ihren Namen nun in Thrive Earlier Detection geändert hat, nachdem ihr die besagten 110 Millionen Dollar an Investorengeldern zuflossen. Dahinter steht eine Gruppe bekannter Finanziers wie das Risikokapitalunternehmen Third Rock oder die Versicherungsgesellschaft Blue Cross Blue Shield. Die neue Firma wird von Steven Kafka geleitet, der zuvor bei der Gentestfirma Foundation Medicine aus Cambridge in Massachusetts gearbeitet hatte.

Bernie Marcus, ein reicher Mitbegründer der Baumarktkette Home Depot, der die Geisinger-Studie mit 15 Millionen Dollar finanziert hat – und 35 Millionen Dollar mehr in die Erweiterung auf 40.000 Patienten stecken will –, sei an Thrive Earlier Detection nicht beteiligt. "Er wollte einfach, dass ein Bluttest auf Krebs noch zu seinen Lebzeiten entwickelt wird. Ihm ist egal, wie das geschieht, solange es vernünftig passiert", so Vogelstein.

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Thrive Earlier Detection muss nun genügend Daten sammeln, um Versicherungen davon zu überzeugen, für die Untersuchung zu bezahlen. Der Test soll laut Kafka rund 500 Dollar kosten. Beweisen, dass er Leben retten kann, muss die Firma aber nicht. Tatsächlich ist das auch bei seit vielen Jahren verwendeten Untersuchungen wie der Mammographie gegen Brustkrebs noch immer nicht abschließend geklärt. Thrive Earlier Detection will stattdessen andere wichtige Werte demonstrieren, etwa, dass Krebs mit seinen Bluttests tatsächlich früher als gewöhnlich erkannt werden kann.

"Wenn man das demonstriert, ergibt sich daraus der sinnvoll begründbare Schluss, dass sich auch Leben retten lassen", sagt Vogelstein. Zu einem abschließenden Beweis bräuchte es hingegen Hunderttausende wenn nicht gar Millionen Patienten. "So lange will man nicht warten."

(bsc)