Für die einen ist es ein Parkplatz...

Mehr mit dem Rad fahren, lautet die Devise einer Aktion in Göttingen. Doch die geht nicht nur auf Kosten von Parkplätzen, sie zäumt das Pferd der umweltverträglichen Nahmobiltät von hinten auf.

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Göttingen rühmt sich damit, eine Stadt für Fahrradfahrer zu sein. Kann sie doch auch den wirklich komfortablen Radschnellweg vorweisen. Doch wer mit dem Fahrrad wohin radelt, muss es letztlich auch irgendwo abstellen. Das ist in der Uni-Stadt nicht selten ein Problem. Zwar gibt es nach Angaben der Stadt 2400 legale Abstellmöglichkeiten am Bahnhof, doch die reichen längst nicht aus.

Eine neue Aktion soll jetzt Abhilfe schaffen. Wie das "Göttinger Tageblatt" berichtet, wurde in einem Wohngebiet ein sogenannter CarBikePort aufgestellt. Dabei handelt es sich um einen mobilen Fahrradständer, der fünf Stangen zum Anschließen von insgesamt zehn Drahteseln bietet. Verbunden sind die Stangen durch eine Form, die die Silhoutte eines Autos nachbildet. Der Clou des CarBikePorts: Die Stadt lässt ihn auf Autoparkplätze am Straßenrand stellen. Der Fahrradständer ist Teil eines Modellprojekts "Umgebung und Quartier", darin habe man zusammen mit Anwohnern überlegt, wie man vor allem die Nahmobilität verbessern könne. "Wir wollen zeigen, wie viele Fahrräder am Stellplatz nur eines Autos stehen können und damit auch für eine umweltverträgliche Mobilität werben", erklärt der Leiter des städtischen Fachbereiches für Planung und Verkehr Maik Lindemann gegenüber dem GT.

Man kann sich leicht vorstellen, dass ein durch Fahrradständer "geklauter" Parkplatz bei den Anwohnern nicht gerade für Begeisterungsstürme sorgt. Erst kurz zuvor war in derselben Straße eine Bank auf einem Parkplatz gegenüber aufgestellt worden. Auch in Hannover wurde schon so mancher Cafétisch auf einem Autoparkplatz gesehen und in Köln hat ein Café zwei Parkplätze vor der Tür sogar gemietet, um dort Gäste auch draußen bewirten zu können. Das Prinzip, Parkplätze alternativ zu nutzen, scheint also zurzeit in mehreren Städten Fuß zu fassen.

Während es bei dem Kölner Beispiel tatsächlich die Innenstadt betrifft, die damit gut sichtbar demonstriert, dass es unattraktiv ist, mit dem Auto in die Stadt zu fahren, scheint mir im Göttinger Fall, zunächst der Standort für den Fahrradständer recht ungünstig gewählt. Soll der CarBikePort möglichst vielen Menschen zeigen, wie viel Platz für Fahrräder so ein Parkplatz bietet, warum stellt man ihn dann nicht in die Innenstadt, so viele Passanten sind? Das hätte zumindest Strahlkraft und käme außerdem dem Ziel näher, das Zentrum autofreier zu machen. Das ist dort sicherlich wünschenswerter als in einem kleinen Wohnviertel. Dort werden die CarBikePorts keinen der ohnehin durch die zwei vorenthaltenen Parkplätze aufgebrachten Autofahrer davon überzeugen, mal wieder öfter aufs Rad zu steigen, geschweige denn ihr Auto abzusetzen.

Mir scheint vielmehr, dass mit dieser Aktion das Pferd gewissermaßen von hinten aufgezäumt wurde. Es muss zunächst ein Anreiz geschaffen werden, sein Auto stehen zu lassen (oder keines anzuschaffen) und damit meine ich, einen höheren als eine Abstellmöglichkeit fürs Rad. Wie wäre es etwa mit Rabatt auf die Buskarte, wenn eine Bestätigung über das abgemeldete Auto vorliegt? Häufigere Taktung des ÖPNV wäre vor allem in Göttingen eine weitere Stellschraube. Und ja, auch attraktive Carsharing-Dienste, die genutzt werden, wenn ÖPNV oder das Rad ausscheiden, könnten dazu verleiten, auf das eigene Auto zu verzichten. Vielleicht sollte man zunächst auf dieser Ebene locken, bevor man die Bürger gegen ihre Stadtverwaltung aufbringt, indem man ihnen ihre Parkplätze nimmt.

(jle)