Kameras und KI: US-Bürgerrechtler warnen vor Rundum-Überwachung

Videokameras werden zunehmend smart und verstehen sich auf Gesichtserkennung. US-Bürgerrechtler sehen uns auf dem Weg in die "Roboterüberwachung".

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Überwachung, Überwachungskamera

(Bild: Michael Gaida, gemeinfrei)

Lesezeit: 3 Min.

Fortschritte im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) könnten die zunehmende Videoüberwachung zu einem noch mächtigeren Spähinstrument machen, schlägt die American Civil Liberties Union (ACLU) in einem am Freitag veröffentlichten Bericht über "Video Analytics" Alarm. Die mehreren zehn Millionen elektronischen Augen, die allein in den USA installiert seien, erwachten vor allem mithilfe von Methoden des maschinellen Lernens wie der biometrischen Gesichts- oder Gangerkennung zum Leben und könnten das endgültige Ende der Anonymität im öffentlichen Raum bedeuten.

Derzeit zeichnen Kameras zwar schon an immer mehr Orten Personen in der Öffentlichkeit auf. Das ständig auflaufende Videomaterial werde aber meist nicht von menschlichem Sicherheitspersonal begutachtet und allenfalls bei konkreten Ermittlungen nachträglich ausgewertet. Künftig könne die Videoanalyse aber eine "Armee" an maschinellen Beobachtern übernehmen und rund um die Uhr zu einer "Roboterüberwachung" führen. Diese virtuellen Agenten könnten "jede Person" auf Anzeichen von "verdächtigem" oder "anormalem" Verhalten überprüfen, kritisiert die ACLU in dem Report.

Die auf automatisierte Videoanalysen spezialisierte Industrie sei bereits 3,2 Milliarden US-Dollar schwer und ihre Produkte hielten verstärkt Einzug im Leben der Menschen, schreibt die Bürgerrechtsorganisation. Autos seien mit Dashboard-Kameras bestückt, die den Fahrer am Wegfahren hindere, wenn er müde oder betrunken aussehe. Elektronische Augen in Klingelknöpfen benachrichtigten die Nutzer, wenn sich jemand der Haustür nähere. In Läden würden Kunden ständig videoüberwacht. Die ACLU geht in ihrem Bericht auch davon aus, dass bei Videoanalysen die Identität der Betroffenen meist bekannt sei. Dazu könnten auch die "großen Mengen an Informationen" herangezogen werden, die Nutzer über sich selbst in sozialen Medien veröffentlichten.

Ein Beispiel für eine entsprechende Softwarelösung im Hintergrund sei der 2016 von Amazon gestartete Dienst Rekognition, für den der Online-Händler intern und extern schon viel Kritik einstecken musste. Dieser bleibt laut der ACLU nicht bei der Gesichtserkennung stehen: der Hersteller werbe auch mit Fähigkeiten, damit "komplexe Aktivitäten" wie das Ausblasen einer Kerze oder das Löschen eines Feuers" ausmachen zu können. Aber etwa auch Cisco, Honeywell, IBM, Microsoft und eine Schaar kleinerer Spezialanbieter hätten einschlägige Techniken im Einsatz.

Angesichts des Übergangs in ein ganz neues Zeitalter der Überwachung sehen die Bürgerrechtler die Politik gefordert. Der Gesetzgeber müsse zumindest verhindern, dass mit "Video Analytics" die Massen beschattet würden. Nötig seien Regeln, um Missbrauch zu minimieren. In den USA dürften einige, vor allem diskriminierende Anwendungsarten der KI-getriebenen Analysen zudem gegen die Verfassung verstoßen. Hierzulande wird die Technik, mit denen die Bundespolizei in Berlin experimentiert hat und weitere Tests durchführen will, von Datenschützern abgelehnt. (vbr)