Zukunft der Unterhaltung: Kino nur noch für die Hosentasche?

Immer weniger Menschen gehen ins Filmtheater, selbst Mainstream-Titel haben Probleme. Für Regisseure bedeutet dies, dass sie den Stoff anpassen müssen.

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Film, Kamera, Kino
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Wann waren Sie das letzte Mal im Kino? Die Frage ist berechtigt, geht die Zahl der Kintopp-Freunde doch seit Jahren zurück. Von 180 Millionen Besuchern in Deutschland im Jahr 2001 ging es 2018 auf nur noch 105 Millionen herunter. Dabei werden Kinoaufenthalte immer mehr zum "Event" – mit Luxussitzen, Craft-Popcorn und Filmen, die die High-End-Kinotonanlagen und die Laserprojektion bis auf das Äußerste ausreizen. Zudem wird auch das Kinomaterial immer actionreicher, was die nicht abebbende Welle an Superhelden-Filmen in den letzten Jahren unterstreicht, bei denen sich nur noch Spezialisten in ihrer Reihenfolge auskennen.

Fragt sich nur: Wozu betreibt man den Hollywood-Aufwand überhaupt noch – aus Nostalgie? Denn praktisch gesehen haben die Zuseher mit Smartphones, Tablets und Computern (plus Fernseher, versteht sich) die Kinonutzung seit langem überholt. Für Regisseure stellt das ein großes Problem dar: Für welches Medium produzieren sie ihre Streifen eigentlich? Es ist schließlich ein Unterschied, ob man einen Film auf einer Riesenprojektion oder einem iPhone ansieht – der Effekt ist ein völlig anderer.

Die "New York Times" hat daher kürzlich eine Reihe bekannter Filmschaffender zu Zukunft der Kinoindustrie befragt. Das Ergebnis war niederschmetternd: Selbst in Hollywood weiß man nicht, wie mit dieser "größten Veränderung in der Inhalteindustrie in der Geschichte" (Produzent Jason Blum) umgegangen werden soll.

So erzählt der Regisseur Paul Feig ("Bridesmaids"), dass eine Szene wie die aus "Lawrence von Arabien", in der der Protagonist mit seinem Kamel plötzlich aus der Wüstenlandschaft auftaucht, auf einem Handy-Bildschirm gar nicht denkbar wäre. "Es gibt Momente, in denen man denkt, man würde gerne eine solche coole Einstellung drehen. Aber dann fällt einem wieder ein: "Wenn die Leute das auf ihrem Telefon anschauen, sehen sie gar nichts." Das ist eine furchtbare Art zu denken, aber das muss man im Hinterkopf behalten."

Feigs Kollege Kumail Nanjiani, Schauspieler und Filmemacher, meint, die Menschen wüssten gar nicht mehr, was Kino ist. "Ich bin mit "Ghostbusters", "Gremlins" und "Indiana Jones" aufgewachsen. Wenn ich mit YouTube großgeworden wäre, wüsste ich nicht, ob ich Filme überhaupt mag."

Manches Studio versucht es mit Zwang. So halten sich diverse Hollywood-Firmen noch immer an die alten Release-Fenster, bei denen auch populärste Streifen immer zuerst im Kino laufen. Sony-Aufsichtsratschef Tom Rothman sagte der "New York Times", "Once Upon a Time ... in Hollywood" könne man derzeit eben nicht auf seinem Smartphone schauen. "Wenn man Leo und Brad zusammen auf der Leinwand sehen will, braucht man einen Babysitter."

Firmen wie Netflix sorgen allerdings dafür, dass altgediente Kinoregeln fallen. So werden Produktion im Kinomaßstab längst bei den Streaminganbietern gezeigt – dann landen sie höchstens noch in kleinen Kinomärkten, um an Wettbewerben teilnehmen zu können. Regisseur Feig hat sich hier schon gefragt, ob er einzelne Kinoproduktion nicht besser platziert bekommen würde. "Ich hab mir bei "A Simple Favor" schon gedacht – Gott, das hätten wir mal fürs Streaming machen sollen."

Wer nun als Filmfreund glaubt, dass die schöne neue Welt der Internetvideos ein Paradies bleibt, hat sich allerdings getäuscht. Aktuell steht der Streaming-Branche eine große Fragmentierungswelle ins Haus. Alle Topstudios – von Disney bis Warner Media – wollen eigene Streamingdienste starten und gleichzeitig ihre Inhalte von Konkurrenzdiensten wie Amazon Prime oder Netflix abziehen. So kann es dann passieren, dass man, wenn man wirklich alle spannenden Produktionen sehen möchte, gleich drei, vier oder fünf Streaminganbieter abonnieren muss. Da wäre der Kinoabend womöglich billiger gekommen.

(bsc)