Kleine, grüne Männchen

Gesprächsstoff für die nächste Grillparty: Warum Übelkeit uns manchmal grün aussehen lässt.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Wolfgang Stieler

Nein, es geht nicht um zweifelhafte Lebensmittelhygiene. In diesem Text geht es um Kunst.

Wenn ich mal viel Zeit habe, male ich. Nicht, um irgendwann mal reich und berühmt zu werden - einfach nur so zur Erholung. Eigentlich, steht in vielen schlauen Büchern dazu, ist malen ganz einfach. Man muss nur das malen, was man sieht.

Selbstredend ist das nicht so einfach getan, wie gesagt - sonst wäre die Welt ja voll berühmter Künstler. Denn einfach nur sehen, wie eine Kamera, tun wir nicht. Jede visuelle Information wird hochgradig bearbeitet, bevor sie im Gehirn ankommt.

Eine der lustigsten menschlichen Fähigkeiten in diesem Zusammenhang ist beispielsweise die so genannte Farbkonstanz. Soll heißen, Menschen nehmen die Farbe eines Gegenstandes unter verschiedenen Beleuchtungsbedingungen annähernd konstant wahr: Eine rote Erdbeere ist im Tageslicht fast genauso rot wie im Kerzenschein beim romantischen Dinner. In digitalen Kameras nennt man das übrigens automatischen Weißabgleich, aber die Natur hat das offenbar schon viel länger in petto.

Was sich zunächst ungeheuer praktisch anhört, ist für Künstler, und solche die es werden wollen, manchmal eine echte Pest. Denn die Farbe, die wir zu sehen meinen, ist gar nicht die richtige Farbe des Objektes, das wir gerade malen wollen. Das sieht rot aus, weil unser Gehirn die interne Korrektur gemacht hat, aber da sind gelbe Reflexe vom Kerzenlicht, violette Schatten und ein grüner Reflex von der Weinflasche. Man muss üben, um solche Nuancen zu sehen - und man muss sie auf der Leinwand oder dem Papier hemmungslos übertreiben, um mit dem Bild dann wieder einen realistischen Eindruck zu erzielen. Malt man einfach nur rot, wo das Gehirn rot meldet, sieht das ganze aus, wie eine Kinderzeichnung.

Doch damit nicht genug der Wunder: Der Neurologe Bevil Conway hat jetzt herausgefunden, dass die menschliche Farbwahrnehmung offenbar auch noch einen Spezialmodus für menschliche Gesichter hat.

Wie das? Conway untersuchte die Fähigkeit zur Farbkonstanz bei mehreren Testpersonen unter erschwerten Bedingungen: Er zeigte ihnen verschiedene Objekte im Licht einer Natriumdampflampe. Das Licht dieser Lampe sieht für uns gelb-orange aus, ist aber in Wirklichkeit nicht bunt, sondern nahezu einfarbig. Das bedeutet, eigentlich können wir bei diesem Licht nur Graustufen sehen - oder richtiger Abstufungen von unterschiedlich hellem Gelb.

Trotz dieser erschwerten Bedingungen waren die Testpersonen in der Lage, die Farbe verschiedener Objekte richtig zu erkennen. Bis auf menschliche Gesichter. Die beschrieben sie als grün. Nicht nur grünlich - mehr oder weniger satt grün.

Im zugehörigen Paper spekulieren die Forscher über die Gründe für das Phänomen. Eine mögliche Erklärung: Die Farbe menschlicher Gesichter wird im Gehirn gesondert ausgewertet. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, finde ich. Es gibt ein Extra-Programm im Hirn für menschliche Gesichter.

Das würde evolutionär Sinn machen, weil uns Menschen die Durchblutung des Gesichtes wichtige Signale über den Zustand des Gegenübers liefert. Um den Kontrast zu verstärken, wertet das Gehirn aber nicht nur den Rot-Anteil der Gesichtsfarbe aus, sondern das Verhältnis von rot zu Grün-Anteil. Offenbar ist die Farbkonstanz im künstlich gelben Licht komplett aus dem Gleichgewicht geraten, und hat berechnet, dass wo kein rot ist, nur grün sein kann. Aber das ist einstweilen noch Spekulation.

Da sage noch einer, Nerds wären langweilig. Noch ein bisschen Kartoffelsalat?

(wst)