Die Förster der Meere

Sargassum-Algen überfluten das Karibische Meer und stürzen den Tourismus in eine Krise. Nun wollen Forscher die Makroalgen herausfischen und als Rohstoffquelle nutzen.

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David Valero will aus der Not eine Tugend machen: Die Algenflut vor der mexikanischen Küste soll zur Rohstoffquelle werden.

(Bild: Tito Herrera)

Lesezeit: 3 Min.
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Der schicke mexikanische Badeort Puerto Morelos ist noch in Sichtweite, als der Spezial-Katamaran das Seetangfeld erreicht. Es erstreckt sich als riesiger, goldbraunen Fleck bis zum Horizont. Schwefelgeruch schwebt über der dicken Algenmatte. Der Katamaran gehört der Grupo Dakatso, einem Konsortium von fünf Unternehmen, das an einer neuen Technologie zur Sammlung von Meeresalgen arbeitet. Er hat ein breites Förderband am Bug zwischen seinen Rümpfen und zieht damit den frei im Wasser schwimmenden Seetang in große Sammelnetze. Innerhalb weniger Minuten sind die Netze mit je 300 Kilogramm Sargassum-Alge gefüllt.

Seit dem Frühjahr 2018 überflutet diese Seetangart die Karibikküste Mexikos und weiterer 19 Länder. In kleineren Mengen sind die braunen Makroalgen an den karibischen Küsten normal, in den letzten zehn Jahren sind die extremen Blüten jedoch sowohl stärker als auch häufiger geworden. Die Blüte des letzten Jahres gilt als bislang stärkste in der Region. US-Meeresbiologen zufolge handelte es sich sogar um den größten Algenteppich, der jemals beobachtet wurde. Die Braunalgen bedeckten den Atlantik auf einer Länge von 8.850 Kilometern, von der Karibik bis nach Westafrika, berichteten sie im Fachmagazin "Science".

Als eine wichtige Ursache dafür sehen Forscher den Pestizid- und Düngemitteleintrag in die äquatorialen Gewässer zwischen Brasilien und Westafrika. Vor allem die beiden Flüsse Amazonas und Kongo tragen die Substanzen ins Meer. Zusätzlich verstärke der Klimawandel die Blüte, sagt Brigitta van Tussenbroek, Ökologin an der National Autonomous University of Mexico in Puerto Morelos. Steigende Meerestemperaturen helfen den Algen, sich schneller zu vermehren. Die Abholzung des Amazonas-Regenwalds nähre die Blüte zusätzlich – die offenen Böden erhöhen nicht nur den Austrag an Pestiziden und Düngemitteln, sondern tragen selbst massiv zum Klimawandel bei.

Die Tourismusindustrie spürt bereits die Folgen. Der Association of Hotels of the Riviera Maya zufolge ist die Auslastung im vergangenen Jahr aufgrund der Algen um zehn Prozent gesunken. Und das in einer Region, die mehr als alle anderen in Mexiko von ausländischen Gästen lebt: Quintana Roo, der mexikanische Staat an der Ostküste der Halbinsel Yucatán, nimmt 40 Prozent der ausländischen Besucher auf. Aber neben der wirtschaftlichen ist es auch eine ökologische Krise: Algenmatten halten das Sonnenlicht von den Korallenriffen fern und fördern das Absterben der Riffe. Sargassum erstickt das Seegras, das die Küsten vor Erosion schützt, sodass sich das Meer die Strände holt. Beim Verrotten der Algen verbrauchen Bakterien den Sauerstoff im Wasser, während Stickstoff, Phosphor und andere Nährstoffe in großen Mengen freigesetzt werden und die Algenblüte weiter fördern. Zersetzen sich die Algen an den Stränden, gelangen die freigesetzten Nährstoffe ins Grundwasser. Das ist beispielsweise für die Bewohner der Halbinsel Yucatán, auf der die einzige Süßwasserquelle ein Netz unterirdischer Flüsse ist, eine große Sorge.

(jsc)